Die Wasserfälle von Slunj
in’s Bureau). War der Himmel bedeckt, so lag das Licht wie grauer Staub in den Ecken der Fenster-Reihen. Die Räume in diesen neuen Häusern mochten groß sein, die Fenster waren breit, nicht so wie in der Adamsgasse, und das matte Licht fiel bis an die rückwärtige Wand.
Einmal mußte Chwostik um elf Uhr vormittags das Bureau verlassen und er ging unweit von hier vorbei und über die Brücke auf die andere Seite des Flusses. Dort wohnte der Herr Doctor Eptinger.
Er war ein tüchtiger Rechtsanwalt und vertrat die Firma Clayton & Powers.
Heute vormittags war er nicht in seiner Kanzlei, welche sich in der Inneren Stadt befand, auch nicht bei Gericht, sondern erwartete Herrn Chwostik – um dessen Kommen er gebeten hatte – in seiner Wohnung. Chwostik ging zum ersten Mal dorthin.
Dr. Eptinger bearbeitete auch die Steuer-Sachen der Firma (dies war zu jener Zeit noch kein eigener Berufszweig). Man darf nicht vergessen, daß es sich hier um eine steuerliche Neu-Veranlagung handelte, angesichts von jüngsten und sehr hohen Investitionen. Es ging also darum, von vornherein eine günstige Bemessungs-Grundlage zu erreichen, als Voraussetzung für alles Folgende: es ging um den Ausgangspunkt. Es ging um die Gewinnung eines richtigen Urteils bezüglich des hier eben Erreichbaren: und es mußte erreichbar sein, ohne Gefahr der Erschütterung des moralischen Credites bei der Behörde. Im ganzen: diese Aktion, dieser Grund-Ansatz würde für die Rentabilität des Unternehmens durch Jahre, ja, eigentlich für immer von bedeutendem Einflusse sein.
Der Doctor Eptinger beschäftigte sich nun seit vielen Monaten schon mit diesen Sachen. Man kann sagen: er liebte das Problem. Nun, es waren eigentlich mehrere. Eines von ihnen betraf die Grundkäufe des alten Clayton in Wien, womit ja das Ganze eigentlich begonnen hatte. Diese – übrigens sehr günstigen – Grundkäufe wollte Dr. Eptinger in die Investitionen hinein nehmen, er wollte sie als einen Teil derselben angesehen wissen, und also gewissermaßen integriert. Auf der Steuer-Administration war man zunächst nicht dieser Auffassung, sondern gedachte sich jener Werte bei der Veranlagung einer Vermögenssteuer für den ganz alten Clayton in Österreich zu entsinnen, zusammen mit einer respektabeln Villa am Rande des Praters, die er gleichzeitig von einem Kommerzialrat Gollwitzer gekauft hatte, der in eine ererbte Hietzinger Villa übersiedelte und froh war, das große, kostspielige und obendrein kellernasse Haus im Prater los zu werden (worin nunmehr Robert, Harriet und der kleine Donald wohnten – selbstverständlich hatte der ganz Alte dort auch seine Zimmer).
Der Referent, welchem sich Doctor Eptinger auf der Steuer-Administration gegenüber sah, ein Kommissär Dr. Hemmeter, mit einem bemerkenswert schönen, schmalen niederösterreichi-schen Bauernkopf, gehörte zu jener Art von Beamten, deren durchgebildetes fiskalisches Denken doch einem Angeschienen-Werden von rein volkswirtschaftlichen, ja, patriotischen Erwägungen zugänglich blieb: was hier freilich auf die Einsicht hinauslief, in einem Einströmen englischen Kapitales nach Österreich auf jeden Fall zunächst ein Positivum zu sehen. Solche Herren, wie der Dr. Hemmeter, handelten zwar fiskalisch, aber zugleich im wirklichen Staatsinteresse, was nicht immer dasselbe sein muß. Freilich vertraten sie dann den einmal genommenen Standpunkt auch nach oben, gegenüber ihren Vorgesetzten.
Dem Doctor Eptinger war es geradezu darum zu tun, Herrn Chwostik, auf den er längst aufmerksam geworden, einmal persönlich und ungestört zu sprechen, und er hatte dies Robert Clayton auch gesagt: „Dieser Mann hat für kaufmännische Dinge einen scharfen Instinkt. Ich halte ihn für sehr intelligent.“ „Das will ich meinen!“ sagte Clayton lachend. Es war an sich vielleicht befremdend, daß der Rechtsanwalt den Bureauvorstand erbat, wie zu einer Konsultation. Für die Engländer war so etwas nicht befremdend. Die Schwierigkeiten mit ihnen lagen auf einer anderen Ebene. Sie dachten den österreichischen Behörden gegenüber sozusagen viereckig statt rund und brachten den Doctor Eptinger mitunter durch ganz unvorhergesehen auftretende moralische Bedenken in Verlegenheit.
Chwostik ging über die Brücke. Er trug fest unterm Arm eine Aktentasche von starkem Leder: in ihr befand sich der eigentliche Vorwand, unter welchem Robert Clayton ihn gebeten hatte, heute zu dem Doctor Eptinger hinüber zu gehen, dem gerade diese Documente
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