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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wiedersehen anläßlich irgendwelcher Herrenabende damals die Rede gewesen war. Das fiel ihm jetzt öfter ein, hier auf dem Schiff. Es war mehr als dreißig Jahre her. Jene Zeit erschien ihm nun als eine außerordentlich bewegte. Und etwas von solcher Bewegung wollte wiederkehren.
    Gut! Soll es sein! So etwa war Chwostik’s innere Haltung. Aber was da eigentlich sein sollte, das wußte er allerdings nicht.
    Auch ein Außenstehender, wie etwa der Münchener Internist Doctor Paul Harbach, mußte bemerken, daß Donald derzeit sich selbst nicht zum Gewinn wurde, daß er sich nicht besaß. Für diesmal ganz abgesehen davon, daß Doctor Harbach Arzt war, sogar ein hervorragender. Als solcher machte er übrigens Chwostik gegenüber einmal eine kurze Bemerkung, dahingehend, daß Mr. Clayton sich in allem ein wenig Schonung auferlegen sollte, was das Herz zu sehr beanspruchen könnte. Er sagte dabei auch irgendetwas über Donald’s Lippen und gebrauchte den Ausdruck ,cyanotisch‘ oder ,leicht cyanotisch‘, den Chwostik nicht verstand. Doch habe das weiter nichts auf sich, meinte Doctor Harbach.
    Dieser war zudem in allen Fällen und immer ein Außenstehender, und nicht nur, wenn er, einmal im Jahr, sein Elternhaus in Wien besuchte (Ofen plus Fregatte plus Hildas und Pipsis), jedesmal nur für wenige Tage. Dies lag nun eben hinter ihm und war, der Jahreszeit entsprechend, in der Hackinger Villa absolviert worden, nicht in der Reichsrathstraße. Danach folgte ein Aufenthalt bei Freunden im Gebirge, und nun hatte er seine Urlaubsreise angetreten, die erste wieder nach sieben Jahren. Mit unbestimmtem Ziel, sagte Doctor Harbach. Vorläufig wollte er einmal hier bis Istanbul mitfahren.
    Es gehört für uns ganz zu den Besonderheiten seiner außenstehenden Person, daß er, in seinem Zimmer an der Hauptfront der Hackinger Villa etwas zurückgetreten am Fenster stehend, das Heraufkommen der Gymnasiasten Hofmock und Chlamtatsch über den Weg zur Villa mit leicht hervorquellenden Augen beobachtet und ad notam genommen hatte, ebenso deren kurz danach erfolgenden Abzug mit den jüngsten aller Pipsis. Bezeichnend erscheint uns auch, daß er, als die jungen Leute verschwunden waren, noch lange am Fenster verweilte, ohne sich irgend zu bewegen, ferner daß er den gesehenen, und für jedermann sichtbaren, belanglosen Vorgang späterhin niemals (als Außenstehender) erwähnt hat.
    M an pflegte damals auf einem Vergnügungsdampfer die Mahlzeiten an einer gemeinsamen Gäste-Tafel – Table d’hôte hieß es – einzunehmen, an deren oberem Ende des Kapitän Platz nahm sowie ein oder der andere Offizier und der Schiffsarzt. Auch die Passagiere saßen immer an den gleichen Plätzen. Auf diese Weise hatten Donald und Chwostik bei Tische den Doctor Harbach kennen gelernt, und freilich im Speisesaale gleich noch andere dazu. Erst recht in den Salons und auf den Decks mischte sich alles durcheinander.
    Man durchfuhr die Straße von Otranto mit etwas Gegenwind und Dünung, danach aber wurde die See glatt. Die Hitze begann auf dem oberen Promenadedeck zu dunkeln (so schien es Donald), und die Herren kamen immer mehr in weißen Anzügen zum Vorschein und mit den damals in Seebädern und auf Schiffen so beliebten weißen Schirm-Mützen. Die Damen trugen Sommerkleider, auch vielfach weiß, und Stroh-Hüte. Über den Liegestühlen wurden da und dort Sonnenschirme sichtbar, die der Wind nicht störte, denn es gab kaum welchen. Die Rauchfahne des Schornsteins blieb weithin über der See hängen. Nachdem rechter Hand, zum ersten Mal seit dem Passieren der dalmatinischen Inseln, etwa auf der Höhe von Kap Santa Maria di Leuca, für eine Stunde in der Ferne Land sichtbar geworden war, schloß sich die hitzedunkle, von winzigen kleinen Weilchen genarbte See zum runden Horizont.
    Donald verließ das Deck. Sein Gefühl von Ausgesetztheit und Verfinsterung begann unerträglich zu werden. Er schritt durch den großen leeren Salon und ging in’s Café, das mit seinen braunen gepreßten Tapeten, den Marmortischchen und den in Leserahmen eingespannten Zeitungen und Zeitschriften, die an der Wand hingen, wie ein davongeschwommenes Stück von Wien wirkte. Es unterstand gleichfalls dem Saalchef des Restaurants, einem erfahrenen Wiener Oberkellner – nur solche gab es auf den Dampfern des Österreichischen Lloyd – namens Kostazky. Diese Art von Leuten besaß übrigens eine an’s Unglaubliche grenzende Personenkenntnis, was die sogenannten Oberen Zehntausend

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