Die Wasserfälle von Slunj
mehr ward hinabgestiegen in die Unterwelt, nicht mehr lagen Zeitung und Brillen auf dem Tisch im Vorraum der Heizung. Die Unterwelt war erloschen, in jedem Sinne, und die verhältnismäßig neue Zentralheizung war ebenso eisern grau und kalt und tot wie die im Keller sorgsam aufgestapelten Heizöfen, welche dort einstmals in Benützung gestanden.
Aber auf dem gepflasterten Hofe des Pförtnerhauses stand jetzt in allerlei Töpfen und Kübeln die wechselnde Fülle von Gewächsen, und oft in kleinen Wasserlachen, wenn sie wieder gegossen worden waren. Hier wurde umgesetzt, gepflegt und geschnitten, und am Rande der Terrasse, wo die Liegestühle profan und bunt dem hochgewölbten blauen Himmel respondierten, standen stets einige repräsentative Exemplare.
Bei wiederhergestellten Tennispartien an der Prinzenallee quälte den Zdenko merkwürdigerweise die Abwesenheit Donald‘s.
Hierüber im M.C. zu sprechen, erwies sich als unmöglich. Ein Unwägbares, das sich auf der Straße begeben hatte, als er mit Heribert von Wasmut dem jüngeren von den beiden Engländern begegnet war – und Heribert hatte von der fahlen Verfinsterung im Antlitze Donald’s offenbar nicht das geringste bemerkt! – ein zunächst Unwägbares hatte wohl bei näherer Erwägung gewisse Tatsachen in ihren Konturen, ja recht eigentlich den Ernst der Lage erkennen lassen. Auch das Straucheln Donald’s gehörte hierher und seine langstielige und ausfahrende Bewegung, um das Gleichgewicht wieder zu gewinnen. Aber nicht dies alles war es, was am meisten quälend auf Zdenko wirkte. Sondern daß Donald jetzt irgendwo im ,Vorderen Orient‘ umherreiste mit einer Verletzung, die er, Zdenko, ihm ganz unachtsam durch eine zufällige Erwähnung hatte beigebracht! Wohl, ebenso wäre dies von Seiten Wasmuts möglich gewesen. Dennoch, er selbst hatte es eben verübt. (Stimmt nicht: sondern die Mechanik des äußeren Lebens. Zdenko hielt Unpersönliches für persönlich. Aber hier war ein kluger Gymnasiast wirklich überfordert.)
So blieb man ohne Donald im der Prinzenallee – allerdings, durch Zdenko blieb jener stets anwesend – und wir dürfen gerne annehmen, daß der jüngere von Clayton bros. garniemandem besonders fehlte. Am allerwenigsten freilich dem Augustus.
Ihm war unter den jetzigen Umständen recht wohl. Häufig hörte man sein fettes Gelächter. Ja, dieses wurde von Robert geradezu provoziert. Der Bursche gefiel ihm: in der Schule kam er gut vorwärts, und in der Wahl seines Umganges zeigte er Begabung, wie schon der Herr Doctor Petschenka festgestellt hatte; nur körperlich war eben das Dickerl ein wenig faul, drückte sich vom Tennis wie vom Reiten.
Es ist Robert Clayton bei solchen beiläufigen Erwägungen einmal rückblickend aufgefallen, daß von Donald kaum jemals Freunde in’s Haus gebracht worden waren. Offenbar hatte er keine. Jetzt wandte sich die Frage gegen ihn selbst, Robert, her: und auch er hatte da fast nichts aufzuweisen. Doch, Chwostik. Auf ihn war Robert geradezu stolz. Aber sie hatten miteinander gelebt, er und Donald, das war’s. Es ersetzte ihnen gleichsam den fehlenden Club. Von den jungen Leuten im Comité des Technikerballes etwa hatte sich keiner an Donald angeschlossen. Es kam von diesem Leben zu zweit, das ahnte ihm jetzt deutlich.
Und zugleich, daß es damit nun vorbei sei.
Donald müßte heiraten.
Plötzlich erschien ihm dies jetzt als Lösung aller solcher Fragen überhaupt.
So waren denn Clayton bros. nicht nur räumlich weit weg von einander geraten. Ja, jetzt schon, auf dem Punkte, wo man hielt, war dieser Zustand kaum mehr rückgängig zu machen. Man glaube nicht, daß dies dem Robert kein Unbehagen bereitete. Denn so weit reichte sein Ahnungsvermögen doch. Es war ihm auch bewußt, daß nur durch Donald’s Abwesenheit die Lage noch in der Schwebe blieb; und in einem solchen Zustande war dessen geringe Dauer mit enthalten: das blieb für Robert immerfort spürbar. Aber seine Begabung, die jetzt und hier sich darbietende holde Oberfläche in ihrer immer einmaligen Schönheit zu erfassen und zu genießen (wie gut hat Chwostik das an einem gewissen Abende gekonnt!) war vielleicht nie gar groß gewesen; und das in weitreichenden Vorsorgen sich bewegende Leben eines Geschäftsmannes seines Stils ist sicher wenig geeignet, derartigen Fähigkeiten das Auge aufzuschlagen. Obwohl man ja sagen muß: wer sie nie kräftig bewegt hat, diese Fähigkeiten, welche man gerne leichtsinnige nennt, der hat nie gelebt, und
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