Die Wasserfälle von Slunj
der letzten Zeit. Vielleicht sollte ich diesen Boden ganz verlassen. Etwa nach Chifflington gehen, in’s drübere Werk.“
„Das täte mir außerordentlich leid“, sagte Chwostik. Im gleichen Augenblicke wußte er, daß dies die letzten ganz geraden und offenen Worte sein würden, die er hatte zu Donald sprechen dürfen, für den Fall, daß auch dieser ihn in’s Vertrauen zöge. Er fühlte das kommen. Wenn Donald deutlicher würde in seinen Äußerungen, mußte seine, Chwostik’s, Lage sich von da an in’s Schiefe neigen. Das Näherkommen dieser Gefahr wurde für Chwostik stark fühlbar.
Donald sprach von Monica und nannte sie beim Namen. Das war sein Sündenfall, könnte man sagen, ein solcher durch anwandelnde Schwäche, infolge der physischen Ermüdung vielleicht, möglicherweise auch vom ungewohnten Alkoholgenusse. Den Chwostik aber riß er damit in eine echte Verstrickung, die ihre Ursachen keineswegs in solch einer augenblicklichen Anfälligkeit und Hinfälligkeit hatte.
Donald sagte nun einiges, nicht gerade besonders Kluges, und auch mit der Wahrheit haperte es dabei. Aber, wie denn anders? Was hätte er zu berichten, was zu beleuchten vermocht? Er hätte das ihm selbst ganz Unverständliche sagen müssen, vielleicht von einer Übelkeit am Nachmittage vor jenem Gartenfeste berichten müssen, von der Verdunklung des Zimmers durch den Regen – aber gerade davon hatte er sich von allem Anfange an absolviert. Das hatte mit Monica nichts zu tun. Nun also. Er sagte: „Es ist mir zu meinem Schmerze nicht gelungen, mit ihr einen wirklichen Kontakt zu bekommen.“
„Verzeihen Sie, Mr. Clayton“, sagte Chwostik, „vielleicht ist das bei einer Persönlichkeit wie dieser überhaupt niemandem möglich.“ Erster schiefer Quer-Verband. Gut gemeint. Sollte lindern, heilen. Feiner Dank vom Hause Chwostik. Verrat am Kinderzimmer. Zudem: auf Seehöhe 1000 war Monica zweifellos derzeit kontaktfähig.
„Es handelt sich doch hier um eine etwas autokratische Persönlichkeit“, fügte Chwostik noch hinzu.
Ja, verdammt, so wird’s immer besser! Oh, mögen uns viele solche ,automatische Persönlichkeiten“ begegnen! Insbesondere unserer Jugend wäre damit sehr genützt gewesen! Wo und wie aber war sie dem Donald gegenüber jemals autokratisch gewesen? Alles Unsinn. Unsinn, was der arme Chwostik jetzt redet. Wie denn anders?!
„Haben Sie, Mr. Clayton, seit Ihrer Rückkehr aus England Fräulein Bachler schon gesprochen?“
Infamie. Geht also in Deckung. Was denn sonst hätte er tun sollen?! Ich bitte: wer hat eigentlich versagt, der Monica gegenüber? Pēpi gewiß nicht. In keinem Sinne. Der hatte seinen weißleuchtenden Stern umfangen, und war dabei rotglühend geworden wie ein Kanonen-Ofen.
Das nichtswürdige Gespräch setzte sich noch ein wenig fort, als sie schon zum Ende des Stadtparks gekommen waren und nach rechts abbogen. Die Schmalseite des Parks gingen sie schweigend entlang und dann auf die Brücke zu, unter welcher die vielen Gleis-Strähne des Güterbahnhofs durchliefen, von Reihen dunkler Waggons bestanden. Ein Klingen von aneinander stoßenden Puffern war zu hören. Hier begann schon ihr Stadt-Teil: wo sie lebten und werkten. Chwostik empfand das jetzt lebhaft. Dort links, am Hauptzollamt, hatte er persönlich die großen Sendungen an Gollwitzer & Putnik nach Bukarest abgefertigt. Nun durch die Seidlgasse. Der Geruch des geteerten Holz-Stöckl-Pflasters. Chwostik dachte plötzlich an den Fiaker, den er vor Zeiten hier genommen hatte, um zu seinem einstmaligen Hausherrn, dem Landesgerichtsrat Keibl zu fahren, Abschieds-Visite vor dem Auszug aus der Adamsgasse. Bald an der Fabrik vorbei. Neben dem Tor das erhellte Fenster des Nachtwächters. ,Etwas ganz neues ist eingedrungen‘, dachte Chwostik. Ja, er war gerne bereit einzusehen, daß es so, wie bisher, ja nicht immer hatte bleiben und weitergehen können. Die Fenster des ,Café Zartl‘ noch erhellt. Wird Donald etwa gar hier eintreten wollen? Aber er ging vorbei, sogar etwas rascher als bisher. An der Brücke wünschten sie einander eine gute Nacht.
Chwostik wandte sich noch einmal kurz um.
Donald entschritt lang und schlank.
,Den hab‘ ich gekannt, wie er noch ein kleiner Bub war‘, dachte Chwostik, ,dann und wann einmal hab‘ ich ihn damals gesehen, im Garten der Villa. Und jetzt hat es ihn erwischt.‘
Nein, er überhob sich nicht in Geringschätzung von Leiden, die ihm fremd waren, dieser Chwostik. Durchaus erkannte er den Ernst der
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