Die Wasserfälle von Slunj
bisher noch nie, in englischer Sprache angesprochen. Er machte auch sonst hier in Wien vom Englischen kaum mehr Gebrauch, und nur die vertraulichen Telephonate von der Bergeshöhe herab mit Old-Pēpi waren englisch geführt worden. Eben jetzt aber hatte er einen Ausruf in der Muttersprache getan, und tat das weiter, als er rasch am Rande des Beckens niederkniete und zu Monica sagte: „Wir fangen sie!“
Schon kniete auch sie. Es sah ganz so aus, als wollten sie hier um die Wette Krebse herausfischen. Aber Monica gewann das Rennen. Geschickt die Hand von rückwärts nähernd, faßte sie mit zwei Fingern eines der Tiere am Kopfbruststück, hob es heraus und hielt es empor. Einen Augenblick später war Robert Clayton ein gleiches gelungen. „Meiner ist größer!“ rief Monica. „Wirklich“, sagte Robert (und jetzt wieder deutsch). Aber es waren beide Exemplare stattliche ,Solokrebse‘, wie man das in den Restaurants nennt. Jeder hielt vergleichend seinen gefangenen Krebs empor und die beiden Tiere, wütend mit geöffneten Scheren in der Luft umhertastend, schlugen jetzt mit den kräftigen Schwänzen, so daß Monica und Clayton beide besprüht wurden. Chwostik hatte sein Erstaunen vergessen und betrachtete mit wirklichem Interesse die Tiere, vielleicht sah er zum ersten Mal einen lebenden Flußkrebs aus nächster Nähe. Donald stand abseits. Nun wurden die Geschöpfe in’s Wasser zurückgesetzt. „Bis euch der alte Gollwitzer aufißt!“ sagte Monica.
Dieser kleine Auftritt, während dessen sie ganz allein hier im Wintergarten geblieben waren (auch diesmal hatten sich inzwischen schon alle Gäste zum Buffet begeben) ist später Gegenstand eines Gespräches geworden, das Donald und Chwostik zwei Tage nach der Abfahrt von Triest am oberen Promenade-Deck vor dem Abendessen führten, als die Dunkelheit schon eingebrochen war, die See sich tief schwarzblau ansah, und das Rauschen des vom Bugspriet geteilten und an den Bordwänden entlang schießenden Wassers deutlicher hörbar zu werden schien. Jetzt erst bemerkte man auch die Hochgespanntheit des Himmels durch das Erscheinen der ersten Sterne. Mochten Donald und Chwostik die Sache von wie immer verschiedenen Standpunkten ansehen, in diesem einen Punkte fühlten sie gleich: daß nämlich hier, bei dieser ganzen Geringfügigkeit, irgendetwas ihnen beiden Unverständliches im Spiele war, eine gewisse Übertriebenheit, wie sie vermeinten, jedenfalls auf Seite Roberts, und vielleicht eine Art von Beflissenheit auf der Monica’s.
D as Schiff, mit welchem sie reisten, war ein Luxusdampfer auf Rundfahrt, mit Kurs zunächst in die Levante und nach Istanbul. Die Aufenthalte in den Häfen lagen für Chwostik und Donald günstig, sie konnten am Schiffe wohnen bleiben und in Beirut ihre Unterhandlungen führen. Von Konstantinopel war dann der Orientexpreß zunächst bis Bukarest zu nehmen (Gollwitzer & Putnik), weiter nach Belgrad (Ingenieur Wosniak, Milo), sodann Budapest, und von hier nach Kroatien, wo auch wieder einiges von Wichtigkeit wartete. Auch Slunj sollte besucht werden. Auf das Sehenswerte dieses Ortes hatte Robert Clayton seinen Old-Pēpi vor der Abreise noch mehrmals hingewiesen. „Es wird“, so sagte er zu Donald, „ein wirklicher schöner Abschluß sein. So hab’ ich mir’s ausgedacht. Mit deiner Mutter war ich dort auf der Hochzeitsreise.“
Donald litt, seit dem zweiten Empfange bei Gollwitzer, und auch seit sie Wien verlassen hatten, zeitweise in einer schon furchtbaren Weise, was wir ihm gerne gönnen möchten, aber zu gönnen nicht vermögen, einfach deshalb, weil doch hier ein Mensch einen sehr schweren Gang antrat. Man könnte sagen: Donald litt sich erst allmählich an die wahre Lage heran, deren Ernst, wie wir wissen, dem Herrn Chwostik schon des längeren bekannt war.
Dieser blieb beteiligt. Ein Außenstehender konnte er nicht sein, aus Gründen, die wir wissen. Aber was hier verstörend in seinen Lebenskreis drang – den er wahrlich nicht ohne Mühe errichtet und nicht ohne Ausdauer befestigt hatte! – das belebte ihn eben so sehr, wie es ihn bedrückte, beides in einem. Und hierin lag das Besondere seiner derzeitigen Lage. Er wußte auch davon. Zuinnerst stand eine längst vergangene Zeit lebhaft in ihm auf, eine Zeit voll Mühe, Sorge, dringender und zwingender Veränderungen. Er gedachte jetzt mehrmals seines Abschiedsbesuches bei dem Landesgerichtsrat Doctor Keibl, den er dann nie mehr wiedergesehen hatte, obwohl doch von einem
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