Die Wasserfälle von Slunj
genügt hätte, einen starken Mann niederzumachen.
Wenn der Zug kam, lagen Finy und Feverl immer schon wach. Pfiff er, dann sprangen sie mit quakenden Tönen aus den Betten. Seit sie hier waren, quakten sie morgens so. Die Helligkeit im Raume war gleißend. Das Gebäude schloß den Gutshof gegen Südosten ab, und aus den drei Fenstern des Raumes ging der Blick frei in die Ebene, ohne irgend ein einzelnes Objekt zu fassen, über den blanken blauen Schild einer weiten Wasserfläche im Vordergrunde hinweg, fern am jenseitigen Ufer von Schilf besäumt, das in der Sonne einen scharfen grünen Strich zog.
Am Morgen nach ihrer Ankunft hatten sie bei Sonnenaufgang diesen See zum ersten Mal erblickt, dessen Ufer von der Rückseite des Gutshofes etwa hundertfünfzig Schritte entfernt sein mochte.
Ein trockener Geruch von altem Holze durchzog den Raum und auch den langen Gang draußen, welchen sie alsbald durchschritten, einer sehr unregelmäßigen Tagesarbeit entgegen.
W as Finy und Feverl am meisten befürchtet hatten – und diese Besorgnis brachten sie schon von Wien mit – war, daß man hier früher oder später einmal den Stein des Anstoßes, den ihre Vergangenheit bot, bei passender Gelegenheit würde aufheben und ihnen nachwerfen. Aber nichts davon geschah. Sie hielten nach einiger Zeit für möglich, daß Globusz – sein Spitzname ,der Globus von Ungarn‘ wurde ihnen bald bekannt – sich darüber nie hatte etwas entschlüpfen lassen, weder dem ,Schaffer‘, noch dem Meier, noch dem Großknecht gegenüber. Auch fragte sie kein Mensch, wo sie vordem gewesen waren. Überhaupt schien sich hier niemand um einen anderen zu kümmern, und jeder hatte die Augen nur auf die eigenen Hände gerichtet, die voll waren von dem, was es zu tun gab. Dies blieb auch so, als die Ernte vorüber ging; während dieser wirkte der riesige Gutshof tagsüber erstorben; Feverl und Finy, die ja vor allem in den weitläufigen Gebäuden beschäftigt waren, kämpften anfänglich mit der Schwierigkeit, sich immer zurecht zu finden; und es begegnete ihnen dabei kaum jemand, den sie fragen konnten. Aber bald liefen sie den Weg zwischen der gigantischen Küche und dem Eiskeller, zwischen der Wäschekammer und den Zimmern der Knechte und Mägde mit wackelnden Popos und doch flink wie die Wiesel. Sie blieben nicht lange neu. Und man hatte sie von Anfang an nicht als Neue behandelt, sondern sogleich mit vollem Anspruche zugedeckt. Daß sie ihm genügen konnten wurde nur möglich durch den Untergrund ihrer dörflichen Jugendzeit, der jetzt plötzlich herauftrat und seine Fähigkeiten, Praktiken und Griffe freigab, die ein Leben lang in Vergessenheit geruht hatten. Feverl zeigte sogar eine erstaunliche Vorliebe für Stallarbeit, bei welcher sie, in der Eile der Ernte und der unvermeidlichen Not an Händen, mehrmals einspringen mußte. Im ganzen: die beiden waren bequem und zur Hand. Das wurde wohl auch ausgenutzt, und man fragte da nicht lange. Jedoch der ,Globus von Ungarn‘ war es, welcher dem Grenzen setzte. Seinen persönlichen Bedürfnissen mußte genügt werden; und Feverl und Finy eilten, um ihm morgens den Kaffee pünktlich zu bringen und seine hohen Schaftstiefel blank zu putzen. Jetzt brauchte er nicht mehr lange nach jemand suchen oder gar selbst gehen, wenn ein Brief auf die Post mußte.
Es war diese ganze Wirtschaft hier ein großer Gutshof ohne Herrenhaus, befremdlich genug, schon gar in Ungarn; die Erklärung war darin zu suchen, daß sie von Globusz aus einem ursprünglichen Bauern-Anwesen durch immer mehr um sich greifenden Hinzukauf rundum liegenden verschuldeten Bodens zu einem reinen Ertrags-Gut entwickelt worden war: eher eine große Farm als ein überdimensionierter Bauernhof zu nennen. Er selbst hauste im alten kleinen Wohngebäude, hatte aber dort nur zwei Stuben. Die übrigen Räume dienten landwirtschaftlichen Abstell-Zwecken.
S ie verbauerten rasch, die Pferdchen, mit einem Worte. Von ihrer einstigen Untätigkeit war im Tatsächlichen nichts übrig geblieben, aber die Simplicität feierte Triumphe und Orgien. Als die Ernte vorüber war, und ihre Eingewöhnung unmerklich und ganz vollzogen, konnten sie dem blauen blanken Wassers-Schild des Sees, der allmorgendlich vor ihren Fenstern blitzte, nicht mehr wiederstehen, und gingen nach Feierabend – man verlangte da niemals mehr was von ihnen – beim rückwärtigen Hoftor hinaus, in Schwimmkleidern und mit Sommer-Mänteln darüber, in der noch immer schweren Hitze.
Ein
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