Die Wasserfälle von Slunj
Sachen nur so hatte stehen lassen können – wenn auch nicht derart summarisch und pauschal wie Herr Chwostik). Im dritten Zimmer saß ein riesenhafter dicker Mann in rauhem Rock mit Schaftstiefeln, der, ohne sich zu erheben, den beiden trojanischen Pferdchen entgegen blickte, die nun schon ganz klein hereingerollt kamen, wie auf Brettchen mit Rädern, und als zöge Frau Rita sie an Schnüren als Spielzeug nach und vor den Gewaltigen hin.
„Das sind sie“, sagte sie zu ihm; und zu ihnen: „Das ist mein Onkel Lala Globusz, ein Großgrundbesitzer in der Nähe von Mosonszentjanos oder St. Johann, ein Ökonom. Er kann euch vielleicht brauchen.“
Man vermeine nicht etwa, daß der Finy oder der Feverl diese neue Art der Ansprache von Seiten Frau Bachlers entging. Aber beide waren hier sozusagen nur als Beobachter; und obwohl sie sehr klein hereingerollt waren und jetzt irgendwie noch kleiner gemacht wurden, blieb ihnen bewußt, daß dieser Besuch hier zu rein garnichts sie verpflichtete.
„Alsdann, Kinder, was könnt’s ihr?“ sagte Globusz.
Aber diese Stimme machte gespreizte Waffen überflüssig und ließ sie als ganz entbehrlich erscheinen. Das warm dröhnende Organ, zusammen mit dem Lachen, welches behaglich im großen Gesichte stand wie der Sonnenschein in einem Dorfteich, änderte mit breiter Macht die ganze Lage.
Es sah Globusz aus wie manche jüdische Pferdehändler damals in Ungarn, Leute, die weit herum kamen und denen eine dörfliche Urbanität eignete, obwohl das ja eigentlich ein Widerspruch ist. Aber die Gerissenheit solcher Leute ruhte doch auf einem bequemen Kissen echter Lebensfreude, mit welcher ihre Heimat sie durchwuchs, eine essensfreudige Heimat, mit breiten Landstraßen, die nur aus zerfahrenen Wagengeleisen bestanden, mit Dörfern, deren weiße Zeilen weit auseinander traten, so daß der ferne Himmel vom Horizont her sich mitten in den Dorfplatz flegelte, Gegenden, wo man ritt und manches Vergnügen mitnahm, das sich zwischen dem Zick-See und Apetlon beiläufig bot. Die Spurweite der Globusz war allezeit eine große. Der Profit wurde sozusagen von Herzen gemacht.
„Herr Globusz“, sagte Feverl, die unter sotanem Sonnenschein aus Spielzeug-Größe (soll man hier an den Doctor Grundl denken und sagen: ,Frau Rita’s sozialethisches Spielzeug?‘) wieder zu ihrem normalen Maß erwuchs, „mir san beide aus Ihnarer Gegend. Was a Madel in Podersdorf g’lernt hat, wissen S’ eh. Und wir waren scho‘ zwanzig, wie’s mit uns dann so weit kommen is’, z’Wean, natürli. Mir haben ja nach Wean müssen und waren net zum halten.“
„Ist immer selbe Sache“, sagte Herr Globusz. „Und gerade in dieser Gegend“, fügte er, zu Frau Rita gewandt, erklärend hinzu. „Weil – no weil, hat, Wien ist nahe und Teifel schloft nicht.“ Im Nu hatte er Finy und Feverl nach einigen Sachen gefragt, die Arbeit auf dem Felde und sogar in den Weinrieden betreffend, und auch nach Fertigkeiten, welche man unter dem häuslichen Dach bewähren mußte, wie etwa die Behandlung der Binsen und des Mais-Strohes. Frau Rita saß als Dritte bei solchem connationalem Gespräche, denn Finy und Feverl bildeten hier eine gemeinsame Person.
„Bei mir geht alles wie am Schnürl“, fuhr Globusz fort, „a jedes werchelt sein Sachen herunter, aber wann irgendwo gebraucht wird a außertourliche Aushilf, daß einer hinspringen muß, ist niemand nicht da, und wenn ich Brief auf Post haben will oder Stiefeln geputzt, kann ich nachlaufen. Kommt’s zu mir, werd’s Adjutanten vom alten Globusz, daß ich wen zum Schicken hab’, und mein Kaffee in der Früh. Mannsbilder werden euch eh beim Hals schon heraushängen, kenn’ ich, waß ich eh. Große Ökonomie, jede Hand wird gebraucht.“
Unter Globusz’ Sonne schmolzen die Vorbehalte dahin. Das Gespräch ward von Feverl und Finy nicht mehr beherrscht; und es mag auch sein, daß der herauftretende Grund früher ländlicher Kindheit und Jugend – unter dem hohen blauen Himmel am spiegelnden Teich in solch einem offenen Dorfe – sich hier als ein nicht eben rationeller Factor geltend machte.
W essen sie auf der Polizei bedurften, das war vor allem eine Erklärung ihres künftigen Dienstherrn, daß er sie aufgenommen habe; und in der Tat erhielt jede von ihnen ein solches Papier. Frau Rita Bachler hatte zudem mit Doctor Grundl gesprochen. Sie erschienen bei ihm und er schärfte ihnen alles ein, was sie bei ihrer Abmeldung zu beobachten hatten. Das ärztliche ,Parere‘
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