Die Wasserfälle von Slunj
Globusz, der hier badete. Als er sie hinausschwimmen sah, winkte er ihnen mit beiden Armen und rief sie herbei. Der Anblick des riesigen pritschelnden und prustenden Geschöpfes im Wasser war befremdlich, ja fast unheimlich. Globusz verlangte von ihnen, sie möchten ihn schwimmen lehren, da sie es ja augenscheinlich so gut konnten. Man ging dergestalt an diese Prozedur heran, daß – nachdem die Tempos genügend vorgezeigt worden waren – im tieferen Wasser Globusz’ mächtiger Bauch durch Finy und Feverl von links und rechts abgestützt wurde, so daß der Hippopotamus auf dem Wasser liegen konnte. Sodann wurden die Tempos gleichmäßig geübt, wobei Finy und Feverl zweistimmig zählten. Globusz, der von da ab täglich eine Schwimmstunde zu nehmen wünschte, schlug dafür ein Honorar von fünfzig Kreuzern vor, also einen halben Gulden für jeden Unterricht, was immerhin beachtlich war. Beim zehnten oder zwölften Male geschah es, daß die riesige Masse sich erstmals von ihren Stützen löste und zwischen Feverl und Finy hindurch davonzog, unter lautem Gebrüll, denn er rief: „Ich schwimme, ich schwimme!“ und zwar auf ungarisch; erst nach etwa zehn Metern heftigsten Arbeitens ließ er sich mit den Füßen auf den Sandboden nieder. Es war ein gewaltiger Anblick gewesen. Aber der Koloß war nun einmal zum Schweben im Wasser gebracht worden und vertraute sich bald gelassener dessen Tragkraft an.
Solchermaßen hatte der Globus von Ungarn Schwimmen gelernt. Man sieht, daß Finy’s und Feverls Funktionen in St. Johann auch an’s Groteske streiften.
So, bei schon völlig vollzogener äußerer Eingewöhnung, war doch das Neue anwesend, in gereinigter Art, möchte man sagen, nicht mehr auf den Beinchen vieler Angelegenheiten laufend, sondern als deren eigentliche Mitte, die ruhte. Jeder Wechsel ist Wunder: daß sie nicht mehr spät am Vormittage erst erwachten und aus dem Schlafställchen sahen auf die leere Wand eines Hofs; daß ihr Zimmer jetzt so weit war, so holzig roch; daß die Militär-Schwimmschule sich zum See geweitet hatte, und die Böschung des Donaukanales abgeflacht war zum kiesigen Strand; daß sie benötigt wurden und gebraucht, daß jemand laut über den Hof rief: „Fi-i-i-ni!“ oder Fe-e-e-verl!“ Am Sonntage vollzog sich der Kirchgang dergestalt, daß zwei Leiterwagen angespannt wurden, deren ersten immer Globusz selbst kutschierte: so fuhr man die ein und ein halb Kilometer zum Dorf. Die Wagen waren mit rot-weiß-grünen Bändern und grünen Zweigen geschmückt. Vor der Kirche traten Männlein und Weiblein hinter dem Hippopotamus zurecht, und so zog man gemachsam ein. Und nach dem Amte, bei gleicher Anordnung, in die csárda, das Wirtshaus. Der Wein war frei, er ging auf Regiments-Unkosten.
Auch die geringen Muskelschmerzen der ersten vierzehn Tage waren vorbei und vergessen. Wir fragen uns, während wir dabei Zusehen wie Finy’s und Feverls Dasein sich neu in seine Falten legt, zu einer wahrhaft lasterlosen Existenz erwachsend, ob jenes denn jemals lasterhaft gewesen sein kann? Sachte gerieten sie aus der Zeit. Ob wir ihr Leben gerade jetzt betrachten oder im weiten Herbste, im Winter (wenn man mitunter auch im Schlitten zur Kirche fuhr), oder ein Jahr später oder zehn: das Neue war alt geworden, und doch blieb es als Neues verwunderlich über dem Horizont, und immer noch nicht ganz ohne Staunen, ja fruchtbarem Befremden. Nach 1900 wurden sie schon derbe alte Weiber.
Sonnabends genossen Finy und Feverl meistens Ruhe, schon am Nachmittage.
Der Schaffer, ein kleiner schlanker Ungar namens Gergelffi, der die beiden Trampel gerne mochte, hatte Feverl ein Paar Schaftstiefel geschenkt, ihrer gelegentlichen Stallarbeit wegen, weil sie damit besser im Mist herumsteigen konnte. Diese Stiefel, welche ihr zufällig wie angemessen paßten, wurden von Feverl als hohe Auszeichnung aufgefaßt und von da ab auf dem Hofe ständig wie ein Rang – und Amtsabzeichen getragen. Jetzt, an einem Samstag-Nachmittage, eben nachdem sie das unerwartete Geschenk erhalten, probiert und alsbald blank geputzt hatte (im Stiefelputzen eignete den beiden ja schon einige Übung), schritt Feverl im großen Zimmer auf und ab und wiegte sich geradezu in ihrer neuen Pracht.
„Schöne Stiefel“, sagte sie und sah an sich herab.
„Wie an Ungarnmadl“, sagte Finy, die am Bette saß. Die Stiefel zeigten wirklich vorne am oberen Rand, der geschweift war, jene kleinen Rosetten aus Leder, wie man sie auch bei den
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