Die Wasserfälle von Slunj
Husarenstiefeln der alten Armee hat sehen können.
„Die trag‘ i’ jetzt tägli’.“
„Aber in d’ Kirchen net.“
„I werd‘ doch net mit Stiefeln in d’ Kirchen gehn.“
„I mein’ nur. In d’ Kirchen gehst ma in Stiefeln net.“
„Na. In d’ Kirchen net.“
„San schöne Stiefeln. Aber in d’ Kirchen tragst es net. Sonst tragst es. Aber in d’ Kirchen net.“
„I werd’ dòch net mit Stiefeln in d’ Kirchen gehn. Na, mit Stiefeln net.“
Goethe schreibt einmal an Schiller: „Die Poesie ist doch eigentlich auf die Darstellung des empirisch pathologischen Zustandes des Menschen gegründet.“ Uns aber, soweit da von Poesie noch die Rede sein kann, geht, angesichts der beiden harmlosen Idiotinnen, die Pathologie und jegliches Pathos überhaupt aus; und worauf sollten wir dann gründen? Solche Figuren kann man nur aus der Komposition hinauswerfen, weil der Grad ihrer Simplizität unerträglich geworden ist und jedweder Kunst Hohn spricht (auch ihrer durchaus nicht mehr bedarf). Also: hinaus mit euch! Jeder noch einen kräftigen Tritt in den fetten Popo; freilich moderat; mit Patschen, Filz-Patschen. Mit Stiefeln net.
N achdem wir diese Doppelfigur – denn wo, außer bei der Rettung des Kindes, waren Feverl und Finy wirklich zu unterscheiden gewesen? – glücklich los geworden sind (immerhin bleiben uns ja noch die Clayton bros.!), kehren wir zu Münsterer zurück, bei dem nach Abzug der Weiber und eben durch diesen Abzug nichts besser geworden war; justament dies aber hatte Münsterer erwartet. Es erscheint paradox, daß ihm gerade die Weiber, welche ihn links und rechts flankierten, ein Hindernis seiner, sagen wir einmal: ,Chwostik-Werdung‘ darstellten; denn eben jener Chwostik hatte sie doch durch viele Jahre zu beiden Seiten gehabt.
Er schlief schlecht.
Er lag oft mit dem Gesicht nach unten und preßte es in das Kissen.
Morgens um halb sechs hörte er das Rollen des Güterzuges und einen Pfiff.
Dies war neu. Es gab ihm Hoffnung. Er konnte hier die Fenster offen haben und hörte den Zug, den er von seinem Bettwinkel rückwärts im Bockshorn der Troglodytenhöhle niemals gehört hatte. Er hörte den Zug. Er spürte die frische Luft.
E ines Abends, gegen sechs Uhr, nicht lange nach Finy’s und Feverls Abgang, trat der Hausherr in den Flur und schloß hinter sich langsam die Tür. Es fuhr die Wewerka aus dem Loche; ihr schienen feine Krebsfühler zu eignen (die Alten nannten dieses tierische Organ ,Antennen‘) und sie ließ solche wohl ständig draußen im Flur und an der Treppe herumspielen. Sie erkannte den Doctor Keibl garnicht gleich; sehr wahrscheinlich wirkte ihre stets gespannte Beiß-Physiognomie schon auf sie selbst verdummend und lähmte die Apperception. Erst als sie von der unbewegten Kühle des Phänomens aus einer anderen Welt angeweht ward, holte ihre Wahrnehmung das Versäumte nach und sie versuchte ihren offensiv-defensiven Gesichtsausdruck zurückzunehmen. Es gelang nicht. Es wurde nur ein Feixen.
Ob Herr Chwostik schon ausgezogen oder vielleicht daheim sei? (Doctor Keibl sprach die Hausmeisterin mit ,liebe Frau Münsterer‘ an).
Nun freilich ward sie gezogen wie ein Pfropfen aus der Flasche und alsbald sprudelte reichlicher Bescheid hervor. Die Greifklaue kramte aus der Schürzentasche das Brillenfutteral; in diesem befand sich – merkwürdig genug – Chwostik’s Möbel-Schenkungs-Urkunde. Sie trug also dieses Dokument stets bei sich (vielleicht, um es vor einer Einsichtnahme durch den Torkel zu sichern, der aus dem manifesten Vermögens-Zuwachs etwa gar ein Recht auf Wieder-Erhöhung seiner Weinration raunzend hätte abzuleiten versucht, denn diese war nach Finy’s und Feverls Abgang herabgesetzt worden, der verminderten Sperrgelder wegen). Nun, wir wissen, daß Herr Doctor Eugen Keibl seine Häuser durch ein Realitäten-Bureau verwalten ließ und daher über Einzelheiten meist nicht so genau informiert war; seine Nachfrage wegen Chwostik kam nur aus persönlichem Interesse, und weil er zufällig gerade hier vorbeigekommen war. (Übrigens hat Chwostik dem Oberlandesgerichtsrat garnicht lange danach eine Übersiedlungs-Anzeige mit seiner neuen Wohnungs-Adresse zugesandt).
Die Wewerka kam nun auf den Kern der Sache, auf das – für sie – Wichtigste: es sei unmöglich gewesen, diese vollständig eingerichtete Wohnung nur einfach abzusperren und ohne Aufsicht zu lassen; und sie habe deshalb, seit Chwostik’s Auszug, ihrem Stiefsohn befohlen, oben zu
Weitere Kostenlose Bücher