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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Aufsichtsorgan.
    Doch ward er dessen nicht froh. Draußen im Vorzimmer brannte einsam die Petroleumlampe, um Finy und Feverl auf ihren Amtswegen zu leuchten. Noch hörte man die Frauen nicht. Aber Münsterer krümmte sich in seiner eigenen Lächerlichkeit, als er jetzt daran dachte, daß er versucht hatte, Chwostik nachzuahmen (beim Aufstemmen des Haustores, wie man sich vielleicht erinnert). Nein, so einfach war das nicht: auf solchem kurzen Wege konnte man kein Chwostik werden. Nun lag er im Bette seines Idols als ein gehausmeistertes und somit entehrtes Individuum. Und Chwostik war entschwunden. Jetzt hörte Münsterer, wie sich ein Schlüssel in’s Schloß schlich. Er warf sich im Bett auf den Bauch, biss in das Kissen und winselte leise. Es war die Hundsnatur seines Vaters, was aus ihm klagte.
    Drei oder vier Tage etwa nach Chwostik’s Auszuge steckten Finy und Feverl ihre dummen Nasen in ein Schreiben der Frau Rita Bachler, welches aber nicht etwa in der Adamsgasse eingelangt war, sondern unter der Adresse ihres Schlafställchens. Sie wurden um ihren Besuch gebeten; Tag und Stunde waren vermerkt; ebenso Straße und Hausnummer; in Döbling; die Reitlehgasse.
    „I geh net“, sagte Finy.
    „Mir gengan“, sagte Feverl.
    „I mag net“, sagte Finy.
    „Sei g’scheit“, sagte Feverl.
    „Gehma baden“, sagte Finy.
    Sie gingen baden (das auf jeden Fall). In der Tat hatten sie des Abenteuers mit der Frau Bachler schon gänzlich vergessen gehabt, obwohl ihre regelmäßigen Gänge auf das Polizeikommissariat zur ärztlichen Untersuchung sie daran hätten erinnern können; der Doctor Grundl freilich tat und sagte nichts dergleichen.
    Warum sie nun am festgesetzten Tage eben doch in die Reitlehgasse gingen, trotz der anfänglich geringen Bereitschaft – auch Feverl hatte ihr weniges Zureden bald eingestellt – das ist schwer zu sagen. Es ist möglich, daß die einzigen aber grundlegenden Vorzüge ihrer Daseinsform – die Simplicität und Untätigkeit nämlich – hier zu entscheidender Wirkung gelangten: einfach weil sie einem herantretenden Neuen ein freies Vorfeld ließen, so daß es wirklich und in aller Ruhe wahrgenommen werden konnte. Es ist ja bekannt, daß viele Individuen den Ausweg aus irgendeiner Lage deshalb nicht finden, weil ihre Lebenshöhle von soviel ineinander verschränktem Krimskrams erfüllt ist, daß eine längst offenstehende Tür garnicht bemerkt wird.
    Sie gingen zum Schottentor – eine ihnen ganz ungewohnte Gegend vornehmen Zuschnittes – stiegen in den Stellwagen nach Grinzing und verließen ihn dort, wo die Döblinger Hauptstraße abzweigt. Hier weitergehend, befanden sie sich in Stille, auf dem fast leeren Gehsteig, mit den Schattenflecken und Sonnenkringeln von den Bäumen, welche die Straße säumten. Eine Unbehaglichkeit begann aus dem ganzen Unternehmen zu steigen, das ja eigentlich garnicht sein mußte; und bisher hatten sie, außer von ihrer Kundschaft, doch nie von jemand was gewollt. Man ließ sie hier irgendwie als Bittsteller kommen, oder um eine Belohnung in Empfang zu nehmen, die sie nicht verlangten. Aber, wie’s denn geht: hat man sich einmal einer Aktion an vertraut, hat man sich nur einmal eingelassen (und das hatten sie ja schon am Donaukanal getan), dann gibt’s kein Halten mehr, ein Schritt gibt den anderen. Sie traten um die Ecke und gingen jetzt die Reitlehgasse hinauf, die ihren Begriffen von einer Gasse sozusagen in keinem Stücke mehr entsprach, sondern die beiden Kindesretterinnen mit einer Reihe von – für den Geschmack jener Zeit – eleganten Häusern befremdend anstierte.
    Sie schritten durch einen schmalen Vorgarten.
    Es war im ersten Stock.
    Es war gänzlich anders, als sie während der letzten Minuten es sich vorgestellt hatten.
    Ein Stubenmädchen öffnete. Im selben Augenblicke hörten sie von irgendwo rückwärts lautes und kollerndes Lachen einer Männerstimme Frau Rita kam mit langen Schritten durch das Vorzimmer und gab gleich herzlich die Hand. Hier schwebte alles in Blankheit und Neuheit, man sah auch in den zwei Zimmern, welche jetzt durchschritten wurden, kaum irgend ein altes Möbel, welches mit seinem von langem Leben vollgesogenen Gewicht diese glatte Oberfläche der Dinge hinabgewölbt hätte zu irgendeiner anonym gewordenen Vergangenheit (am Rande: die Investierung von Rita’s Mitgift in des Doctor Maurice Bach-ler zahnärztliche Einrichtung schien sich ja gelohnt zu haben, so daß man beim Ausziehen aus dem früheren Heim die

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