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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wagengeleise, wenig befahren und halb verwachsen, das unter ihren Fenstern an der Rückfront des Gebäudes hinlief: sie überschritten es und traten auf einen breiten, unregelmäßig begrünten Streifen Landes zwischen ihnen und dem Wasser, der, hätte man hier Schafe gehalten, als Weide für solche wäre geeignet gewesen. Auf dieser Seite lagen keine Äcker; sie dehnten sich, gleich beim vorderen Hoftor beginnend, nach Westen bis an den Horizont. Der Boden zeigte da und dort, wo Gras und Kraut zurücktraten, häufiger sandige Stellen, je mehr sie sich dem Wasser näherten, je weiter sie in diese vollkommene Leere hineinschritten, die nichts darbot außer dem blauen Schild des Sees, dem leuchtend grünen Strich des Schilfs am anderen Ufer. Hier gab es keines. Sie standen nun am Wasser, das ganz flach ansetzte, sozusagen mitten in der Wiese; wo es den Boden bedeckte, zeigte dieser Kieselgrund, der des Ufers flache Windung begleitete. Aber als sie jetzt, ihrer Mäntel und Schuhe ledig, hineinstiegen und in die lau aufrauschende Fläche hinausgingen, veränderte sich nach zwanzig Schritten der rutschende Kieselgrund unter ihren Fuß-Sohlen: diese wurden glatt und sanft vom Sande umgriffen. Es erzeugte ein Glücksgefühl. Das Wasser reichte noch nicht bis an die Knie. Sie warfen sich hin und wälzten sich. Dann gingen sie weiter hinaus und waren endlich bis unter die Achseln von kühleren Schichten umfangen. Jetzt schwammen sie, lagen auch auf dem Rücken, und sahen dann wieder das Ufer, welches sie verlassen hatten, und das Häuflein von ihren Mänteln und Schuhen dort, schon mehr als hundert Schritte entfernt.
    So also wurden ihre Gewohnheiten neu begründet, und jetzt erst schwankte der Waage-Balken ihrer Lage ganz aus und beruhigte sich. Da die beiden simpel waren – und das bedeutet doch, daß einer von seiner jeweils gegenwärtigen Lage mehr durchdrungen wird, als daß er sie zu durchdringen trachtet – so blieb, bei aller Flinkheit der Hände und allem Gewerkel, in der Tiefe auch ihre Untätigkeit gewahrt: sie taten gewissermaßen nichts an ihrem Leben, sie consumierten es nur. Ja, die verschiedenen Anstalten, welche sie zuletzt hatten treffen müssen – alles als Folge ihres seinerzeitigen Abenteuers am Donau-Kanal – sie erschienen ihnen jetzt und hintennach als befremdlich betriebsam und auch als erstaunlich entschlossen. Aber sie hatten sich ja in Wirklichkeit zu garnichts entschlossen gehabt. Heute und hier aber lebten sie jenseits jeder Möglichkeit und damit Nötigung zu irgendwelchen Entschlüssen: eben dies aber machte ja den glücklichen Grund ihrer Lage aus, der jetzt, wir dürfen es auch hier wieder sagen, lyrisch herauftrat, nachdem die sachlichen Einzelheiten sich eingespielt hatten.
    Sie nahmen es wahr. Im holzig-trockenen Geruch ihres Zimmers; im Pfiff des Zuges früh um halb sechs; im Blick auf den blauen Blitz des Sees, wenn sie morgens aus den Betten gesprungen waren; im Stiefelputzen, welches sie sodann in Globusz’ Vorgärtchen in der Sonne übten: in solche Tatsächlichkeiten war’s gefaßt. Anders: die Zeit stand; sie stand darin wie in Gefäßen gefangen. Und dies eben bildete den tiefsten Grund des Glücks.
    Sie hatten nichts und niemand in Wien zurückgelassen. Sie hätten jetzt und von hier aus erkennen können, wie allein sie dort gewesen waren. Aber auch das lag ihnen fern. Hier aber hatten sie für nichts zu sorgen, nichts zu ordnen. Es sollte nur alles bleiben, wie es war. Kein Ziel spannte das Dasein in eine imaginäre Zukunft, drängte es aus dem ruhigen Ringe der Befangnis oder verzerrte dessen Rund. Die Simplizität feierte Orgien. Eine dicke junge Ente versuchte auf dem Gutshof einen kleinen Abzugsgraben zu queren, der vom Stalle herkam; ein Brücklein wäre nahe gewesen; aber das tolpatschige Geschöpf bestrebte sich wackelnd auf dem allerkürzesten Wege, fiel auf seinen dicken Bauch in den Graben, und mußte herausgenommen werden. Feverl und Finy gereichte dies ganze Manöver zur Erheiterung. Sie erinnerten einander nach Tagen noch daran und lachten immer wieder.
    Einst aber begegnete ihnen ein weit erstaunlicheres Geschöpf und zwar im See. Es war ein Nilpferd (Hippopotamus). Sie sahen es, als sie an’s Ufer gekommen waren, weit draußen stehen, ein massiger Leib, die vier Beine ganz im Wasser: so ruhte es, nach vorn gekippt. Dann aber, beim Wälzen, entstand ungeheures Gebraus. Erst erschrocken, stiegen Finy und Feverl doch in’s Wasser und wagten sich näher. Es war

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