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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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schlafen.
    Nun, sehr überzeugend erscheint uns das nicht. „Gehen wir einmal hinauf, liebe Frau Münsterer“, sagte Doctor Eugen.
    Immerhin, sie hatte ihre Erklärung rechtzeitig abgegeben, bevor noch das Auge des Hausherrn auf Münsterers Bett und Zahnbürstchen ruhen konnte.
    Aber der Doctor Eugen dachte an ganz anderes. Es war hier möglich, Chwostik’s Wohnung und einstmaliges Mobiliar zu sehen. Das hatte doch sein Interesse. Jetzt erst, während er hinter dem aus der Hüfte hinkenden Knollengewächs, das den Schlüsselbund schwenkte, die Treppe hinaufstieg, fiel ihm ein, daß er Chwostik’s säuberlich geschriebenen Kündigungs-Brief damals, vor nun zwei und einem halben Monat, irgendwohin beiseite gelegt, nicht mehr zu Gesicht bekommen, und so auch nicht an das Realitäten-Bureau weitergeleitet hatte, was ja wegen Neuvermietung der Wohnung wäre erforderlich gewesen. Nun, wie immer. Sie traten ein. Im Vorzimmer stand auf einer Kommode eine Petroleumlampe mit breitem Fuß. In den Zimmern war es grauslich aber ordentlich. Die Spuren von Münsterer’s Hausen im mittleren Raum äußerst spärlich. Das Bett sorgsam gemacht. Am Tische ein Tintenfläschlein mit Federstiel, ein Kamm, ein Bleistift, alles parallel ausgerichtet. Der Postmanipulant war ein Pedant.
    Der Doctor Eugen sah sich um: beängstigt. Jetzt erst begriff er Chwostik ganz, der dies alles hinter sich hatte liegen und stehen gelassen.
    „Was werden Sie mit den Möbeln tun?“ fragte er die Hausmeisterin.
    Es war heikel für die Wewerka. Sie wollte ja die Wohnung, und also auch, daß die Möbel an Ort und Stelle bleiben sollten. Aber ihr war des Hausherrn vordem geäußerte Meinung (nach dem Ableben der Eltern Chwostik’s) gut im Gedächtnisse geblieben: daß nämlich eine Hausmeisterin im Parterre wohnen müsse. Die trojanischen Pferdchen hatten – auf’s ganze gesehen, da sie ja mithelfend gewesen waren, den höher hinauf gelangten Chwostik auszutreiben! – ihre Aufgabe erfüllt; und von Seiten der Wewerka war das frei gewordene Vorfeld sofort durch ein hausmeisterisches Organ besetzt worden. Es galt nun, Münsterern weiter vorzuschieben.
    Bei solchem Stande der Sachen schlich sich ein Schlüssel in’s Schloß (Münsterer war hier immer ganz leise, warum, wußte er selbst nicht, aber vielleicht wirkte sich seine Verehrung für Chwostik nachklingend in dieser Weise aus).
    Freilich hörte er die Stimmen aus seinem derzeitigen Zimmer, dessen Tür offen stand. Im gleichen Augenblick erst wurde ihm hintnach bewußt, daß die Gangtür sich nach einmaligem Umdrehen des Schlüssels schon geöffnet hatte. Sie war nur zugeklappt gewesen. Er hörte seine Stiefmutter reden. Sie ging einfach in sein Zimmer mit irgendwem (neuer Mieter?) und redete dort; und er schlich hier herein wie ein Hund. Jetzt folgte er den Worten der Wewerka: „. . . . ja, so is, gnädige Herr, für den Stiefsohn, was bei mir wohnt, wo wir eh kan Platz haben. Er möcht’ heiraten. Is’ bei der Post.“
    Aber er schlich nicht nur, er kuschte auch, der Münsterer. Er war ein hausmeisterisches Organ auf vorgeschobenem Posten im Machtbereiche der Wewerka (homo conciergificatus Wewercae).
    Es lag eine Art automatischen Gehorsams darin (soll man etwa gar in geschwollener Weise sagen: ein Funktionieren war’s unter dämonischem Machtgebot?!), als er jetzt, statt im Vorzimmer laut zu brüllen „Ich will garnicht heiraten“, sich dezent räusperte, einige langsame Schritte tat, und sodann am offen-stehenden Türflügel klopfte.
    Er sah, eintretend, den kleinen Herrn, und beachtete seine Stiefmutter nicht, die ihn jetzt mit den Worten „Das is’ er, gnä’ Herr“ gewissermaßen vorstellte. Münsterer verbeugte sich angemessen.
    Doctor Eugen reichte ihm die Hand und nannte seinen Namen.
    Münsterer lag zu Tage: was er eben erlebt, an sich selbst erlebt hatte, lüftete sein von einem Zornesgriff der Natur entformtes Antlitz wie eine Maske, die er noch trug; es hätte keines Doctors Eugen Keibl bedurft, um dahinter ein anderes zu sehen. Ja, den Oberlandesgerichtsrat beschlich hier, in dieser widrigen und gewissermaßen toten Umgebung (leeres Gehaus Chwostik’s?) ein Gefühl, als sei ihm für diese Augenblicke die Rolle einer handelnden Person in einer Tragödie zugespielt worden. So handelte er denn nach bestem Ermessen und Gewissen (fast immer überschätzt man das Entscheidende einer solchen Funktion).
    „Sie wünschen diese Wohnung zu übernehmen, Herr Münsterer?“ sagte

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