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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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er.
    Der Stiefsohn verbeugte sich leicht.
    „Ich werde das Nötige veranlassen, damit Sie vom 1. November an in das Mietverhältnis treten können.“
    W äre Münsterer nun in der Lage gewesen, seine Wohnung zu bezahlen und sich selbst noch zu ernähren, unabhängig von der hausmeisterischen Sudelküche: er hätte, theoretisch, die Wewerka hinauswerfen können. Immerhin standen da noch ihre Möbel. Aber, auch abgesehen davon: zu vermeinen, man könne in einem Wiener Hause leben, bei bestehender Feindschaft mit der Hausmeisterin, ohne an Detailpeinigungen zugrunde zu gehen, wäre damals ein Hirngespinst gewesen; und auch heute verhält sich’s nicht viel anders.
    So blieb alles wie es war.
    Nein, man kommt auf Stufen aus einem schmierigen Material nicht hinauf in ein reineres Leben.
    So geschehen Verwandlungen nicht.
    Wieder pfiff der Zug um halb sechs, kam die kühlere Luft vom Fenster. Indessen, eines hatte sich doch geändert seit jenen Augenblicken im Vorzimmer ,seiner‘ nunmehrigen Wohnung, während er’s gehört hatte, wie die Wewerka über ihn verfügte, und dann erleben mußte, wie sehr er ihr gehorsam war. Münsterer kriegte sich selbst in den Griff. Er lag von da ab nicht bloß für andere zu Tage. Seine Lage wurde ihm erkennbar, sie drehte ihn nicht mehr nur einfach um, so daß er auf dem Bauche lag und in die Kissen biß.
    Morgens war das besonders fühlbar. Der kühle Lufthauch vom Fenster her drang wie aufspaltend herein, querte und entrückte alles.
    D octor Eugen stieg nach verrichteten Sachen in seinen Wagen, der vor dem Haustore in der Adamsgasse gehalten hatte. Jetzt wird besser erklärlich, daß die Wewerka so pünktlich aus dem Loche gefahren war – und mindestens diesmal nicht durch Antennen-Fühlung: sie hatte den Fiaker gesehen. Es war dies möglich, durch’s Fenster der Kellerwohnung, aus der Froschperspektive; während ein Fußgänger, der ins Haustor einschwenkte, von ihrem Auge nicht erfaßt werden konnte. Die Pferde jedoch waren diesmal mit ihren Beinen just vor den Ausguck zu stehen gekommen. Freilich war das Anhalten ihres Trapp-Trapps auch zu hören gewesen. Hörbar blieb übrigens auch jedermann, der zu Fuße das Haus betrat. Dies bewirkte die Wewerka leichtlich, indem sie einfach unterließ, die Türangeln zu schmieren; sie quietschten vernehmlich, und bis in’s rückwärtige Bockshorn. Wenn wir auch solchermaßen das Bild der magischen Fähigkeiten Frau Wewerka’s mindern, so glauben wir gleichwohl fest, daß letzten Endes doch ihre Antennen-Gefühle die Hauptsache blieben: gerade diese aber waren durch den Wagen in Wirrnis geraten. Keineswegs häufig, sondern äußerst selten fuhr ein Fiaker hier in der Adamsgasse vor; und der Hausherr war bisher nie in einem solchen gekommen; sondern bei seinen äußerst raren Erscheinungen stets zu Fuße; und so konnte es passieren, daß die Wewerka beim Vorfahren des Fiakers an alles andere eher als an den Doctor Eugen gedacht hatte.
    Vor drei Monaten schon waren Wagen und Pferde von ihm angeschafft worden.
    Er wurde alt und er spürte es.
    Nun befahl er dem Kutscher, in den Prater zu fahren.
    Die muntren Pferde waren nach wenigen Schritten im Trabe. Das Gefährt rollte leicht hüpfend durch die lange öde Zeile. Heute war’s ein verhältnismäßig sehr günstiger Tag gewesen. Doctor Eugen, der vor Jahresfrist einen Vertrag mit einem juristischen Fachverlage geschlossen hatte, um dort seine Gesetzes-Kommentare zu veröffentlichen, lebte seitdem mit einem Termin belastet, und fühlte sich dadurch bei seiner Arbeit gedrängt: das hatte zur Folge gehabt, daß diese Sache von ihm etwas forciert worden war, vielleicht sogar allzu sehr. Er fühlte zeitweise Müdigkeit. Es entstanden gleichsam Hohl – und Leer-Räume der Müdigkeit, und es blieb oft wirklich nichts anderes übrig als zu warten, bis man wieder aus ihnen würde entlassen werden. Das hielt auf, und mit einer Gewalt, die in manchen Fällen so wirksam wurde, daß sie als wirklich unwiderstehlich gelten konnte. Er hatte nun viele Monate gearbeitet, ohne aufzusehen gleichsam.
    Heute am späten Vormittage aber war da plötzlich, und innerhalb einer Viertelstunde, unwiderleglich offenbar geworden, daß er bereits alles beisammen hatte und kaum mehr als drei Wochen benötigen würde, um das Manuscript abzuschließen. Es gibt Fälle, in denen wir wie blind im Geschirre liegen und drauflos dienen, immer begleitet von dem Gefühl des langhin sich dehnenden Weges, und als ob wir eben erst

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