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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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blieb doch unabhängig davon, sie schien nicht durch die Bücher entstanden). Es war weit, blaß, in rosigen, lichten Farben. Lautenspiel oder ein Cembalo hätten in diese Räume gepaßt. Sie wirkten wie unbewohnt. Vielleicht benützte man sie für gewöhnlich kaum. Es gab biedermeierliche geschweifte Kachelöfen in den Ecken, und diese wurden wirklich beheizt und strahlten Wärme aus, wenn man sich ihnen näherte. Vielleicht war es im großen Salon bereits zu warm geworden, durch die milde Außentemperatur.
    Dazu noch der Tee. Sein Duft ging glatt in die hier beheimatete Aura ein. Zum Glück saßen die Ergoletti und Paul weit weg vom Ofen.
    Im Vergleich zu jenem Geist und Dufte, der hier in aller Stille herrschte (und fast streng), mußte, was von Emilia her gegen Paul herandrang, allzu warm und feucht und transpirierend wirken. Solchermaßen war es auf einem ganz fremden Untergrunde zu spüren. Eine dampfende und duftende Speise, auf untadelig blankem blassen Teller serviert.
    Ihre Haut schien feucht: aber doch nicht glänzend. Ihre Nase – die Wurzel, aus der dies ganze Gesicht gebildet war! – schien vorne gerötet: und war es doch nicht. Der große Mund arbeitete beim Formen jedes Wortes sichtbarlich mit und wollte die Wörter fast ein wenig zerquetschen. Einmal bekam Paul ganz leicht ihren Schweiß in die Nase. Er täuschte sich nicht. Er hatte Emilia in den Wind bekommen. Er wußte auch schon, daß dies noch weitaus ärger werden konnte. Alle diese Wahrnehmungen, alle.
    Als das Mädchen hinaus gegangen war, schoss die Ergoletti ihn an:
    Doch halt! Sie schoss ja auf ein Ziel, das schon getroffen war. Zwei übereinander gelagerte Stockwerke von Gerüchen – ein ausgedehnteres und unbestimmteres unteres, ein mehr da seiendes, ja, nasen-nahes oberes – diese gerade waren es, welche eine Weiträumigkeit eröffneten, von der ihn bisher in so eindringlicher Weise keine Kunde erreicht hatte. Nun aber erreichte sie Paul, der, ganz genau genommen, bis jetzt den Hausgeruch der Reichsrathstraße allein gekannt hatte, dafür diesen um so profunder. Es gab anderes, wohl, man hatt’ es zur Kenntnis genommen, und immer hatte man’s gewußt. Jedoch, was sind schon alle Organe des Erkennens im Vergleich zu unserer Nase! Sie erst gibt dem Wissen einen Körper.
    Die Ergoletti schoss:
    „Können Sie, Paul“ (hm!), „sich vorstellen, wenn auch nur entfernt, was es für einen jungen Mann in Ihren Jahren bedeuten kann, wenn er ganz unabhängig dasteht? Ich meine nicht, wenn einer seinen Eltern davonläuft, um dann in Amerika Teller zu waschen, schwere Jahre mitzumachen, und so weiter. Sondern, wenn einer als Student schon sein eigener Herr wäre, mit genügenden Mitteln, um frei in der Welt zu leben, und nicht am Monatsersten auf den Wechsel vom Herrn Papa zu warten; und ,fertig‘ werden zu müssen. Sondern sich selbst ruhig noch ein Semester zu bewilligen oder zwei. Und nicht beim Studium außerhalb der Welt leben zu müssen, sondern sich’s leisten zu können, den Aufwendungen und Anforderungen der Gesellschaft zu genügen, zu reisen, wenn’s einem paßt, und ganz ohne wen fragen zu müssen, und alles das mit achtzehn Jahren, wo das Leben noch, ich möchte sagen, an den Richtigen kommt: ich würde eine solche Lage für dessen höchste mögliche Spitze halten, ein Gipfel mit lauter möglichen grünen Tälern zur Auswahl.“
    Sie war fast enthusiastisch geworden.
    Er glotzte.
    Und schnupperte unmerklich, des Neuen voll.
    Aber auf ihre Frage – ,können Sie, Paul (!), sich vorstellen?‘
    – antwortete er nicht, sondern sagte:
    „So etwas gibt es nur in Romanen und Opern.“
    Es war das beste von allem (im Sinne seines Vorteils, den er noch garnicht wahrnahm!), was er überhaupt hätte sagen können. Denn damit provozierte er sie geradezu, etwas zu bewirken (wir würden, in intimerer Kenntnis des Sachverhaltes, sagen: etwas zu unternehmen gegen die allzu nah aneinander rückenden Details der Reise-Strecken, seien das nun Wärterhäuser aus Hausteinen oder Pavillons aus dem 18. Jahrhunderte am Hetzendorfer Park, mit noch immer nicht reparierten, schief und schlampig und grau hängenden Fensterladen).
    „Sie irren, Paulchen (!)“, sagte sie jetzt, im Vollbesitze einer von ihr allein, diesfalls, abhängenden Gewißheit.
    Schweigen, Glotzäugigkeit, sehr deutliches Sehen.
    Das untere, ausgedehntere, saubere, papieren duftende Geruchs-Stockwerk war jetzt spürbarer. Wohl daher sein vernünftiges Verhalten (im doppelten

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