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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihm herabschaute, groß war sie ja schon sehr und der Ausschnitt war tief, und Paul kriegte sie noch einmal ganz in den Wind, während sie sagte: „Mich freut’s, Paulchen, daß Sie auch da sind.“ Und damit tauchte ihr langer, vom Glacehandschuh umspannter rechter Arm herauf, wie vom Gründeln wiederkehrend, dieser Hals, und sie reichte Paul die Hand; und als er sich tief darüber beugte, geschah von ihren Fingern ein leichter kleiner Nachdruck, während sie ihn lachenden Mundes ansah.
    Von da an aber war er ein Hochzeitsgast wie alle anderen auch; in seiner Art ein ziemlich außenstehender; und er begann dieses Fest sogar zu genießen.
    A ber damals, wie war’s? Er wollt’ es wissen und fragte sich jetzt, als er, in seinen Frackmantel gehüllt, den Cylinder in’s Genick geschoben, die dunkle Maximilianstraße entlang ging, gegen den Max-Joseph-Platz und die Hauptpost zu, statt gleich eine Droschke zu nehmen und heimzufahren. Er fragte sich. Und sofort einmal ward da ein Loch sichtbar: warum hatte er damals im Vorzimmer die zusammengeschnallten Eislaufschuhe bei sich getragen, unterm Arm?
    Diese Augenblicke lagen acht Tage etwa nach Emilia’s Abreise.
    Der nächste feste Stein, auf den er im Bachbette der Zeit treten konnte, befand sich schon im Wiener Hause der Russows: ein altes Haus, in der Lenaugasse, mit sehr großen, tiefen und hohen Räumen. So auch Irma’s Zimmer, in welches er mit seinen zwei ältesten Schwestern hatte eintreten dürfen: aber ganz ohne hinausgeworfen zu werden.
    Sie hatte die gleiche Nase wie Emilia, hier gab es garkeine Zweifel, es genügte, ein einziges Mal nur genau hinzusehen. Und in ihrem Zimmer – mit großen behäbigen, rosengeblümten Möbeln – herrschte zwar keineswegs die Aura der Ergoletti, wohl aber fast die gleiche wie in jener Wohnung am Modena-Park, ein kühler, reiner, papierener Hausgeruch, wie nach alten Büchern. Und in Irma’s Zimmer stand ein ganz kleines Piano von hellem Holze, äußerlich fast wie ein Spinett.
    Dann: er wußte, daß zwischen Irma und ihm nie etwas Nennbares geschehen war, nicht einmal ein verstärkter Druck der Fingerspitzen, wie ihn heute die Ergoletti ihm noch geschenkt hatte, obwohl am Eislaufplatze, wenn man zu dritt und zu viert im Strome der anderen dahinglitt (ein Blasorchester unter einer Kuppel spielte) gerade genug Gelegenheit dazu gewesen wäre: denn man hielt sich ja an den Händen. Hier, auf der weiten Eisfläche aber, bei unaufhörlich schleifenden Geräuschen von allen Seiten, war, mitten in frischer Kälte, jener Hausgeruch aus Irma’s Zimmer in der Lenaugasse wie hergeweht zu spüren gewesen, und er hatte Irma, die hier neben ihm dahinglitt und deren Hand er hielt, noch weit anwesender gemacht als ihre leibliche Gegenwart das bewirken konnte.
    Später kam das Gespräch mit dem Vater; und da war Irma längst entschwunden.
    Man sah vom Zimmer des Vaters auf die Rückfront des Universitätsgebäudes.
    War das vor oder nach der Matura gewesen?
    Wahrscheinlich nachher. Im Hochsommer schon. Die Familie ansonst draußen in Hacking auf der Villa.
    „Du willst also nicht auf der Technischen Hochschule inscribieren?“
    „Nein, Papa. Ich werde Medizin studieren. Und zwar nicht in Wien, sondern in München.“
    „Du wirst. . . ich glaube, ich werde meinerseits hier ein Wort mitzureden haben. Denn schließlich brauchst du mich ja auch dabei.“
    „Nein, Papa. Es kommt nicht in Betracht, daß du ein Hochschulstudium finanzierst, welches ich gegen deinen eigentlichen Wunsch und nur mit deiner Duldung beginne. Es ist bei mir für alles auf’s beste gesorgt. Ich möchte in einigen Tagen reisen.“
    Der Vater sah ihn an, sagte aber nichts, und schritt aus dem Zimmer, jedoch ganz ohne die Tür etwas kräftiger zu schließen. Bald danach ging auch Paul.
    ,Es war bestimmt schon nach der Matura‘, dachte er jetzt, den Max-Joseph-Platz verlassend, in der Residenz-Straße. ,Denn ein paar Tage später war ich schon hier in München. Pension Elite.‘
    W enn fünf hübsche Töchter, seien sie auch etwas lang geraten, in einem reichen Hause bleiben – bei den jüngsten kam allerdings jetzt erst die optimale Zeit hoher Notierung heran – so wird man erfahrungsgemäß die Ursache dafür am ehesten bei der Mutter finden. Denn auf jene Art von jungen Herren der (,dritten‘) Gesellschaft, die wegen einer gefünftelten Mitgift Bedenken trugen, wäre von Seiten der Eltern wie der Töchter wohl noch zu verzichten gewesen. Auch sind solche kalte

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