Die Wasserfälle von Slunj
die Opferung der Sentiments bei Paul aus. Vorher hatte er natürlich seine Zeit mit der Ergoletti, so lange die noch in Wien blieb, ein paar Wochen nur; während dieser schon erhielt Paul einen informativen Brief ihres Münchener Bankhauses – auf eine postlagernde Adresse, die er der Ergoletti hatte angeben müssen, und freilich wählte Paul ein Postamt weitab der Reichsrathstraße, einmal um diese betont bei Seite zu setzen, ferner, um jede Irrtümlichkeit und Verwechslung ganz auszuschließen. Also wurde es Währing. Und es wurde ihm dieses Postamt lieb, und weiterhin die Gegend überhaupt, von wo er sich ja dann auch nach Emilia’s Abreise stets die Briefe holte. Der Bankier schrieb, was ihm eben die Ergoletti aufgetragen hatte, alles zur Disposition ab 1. Juli. Die Einsendung von Pauls Unterschrift wurde erbeten. Als seine Münchener Privatadresse war zunächst diejenige der Ergoletti eingesetzt.
So ging alles an, und wie es ausging, das wissen wir ja schon: nämlich durchaus wie Emilia es gewünscht und sich vorgestellt hatte. Man glaube nicht, daß sie in München dann den Paul Harbach gleichsam pachtete. Sie bebrütete ihn nur in Abständen, und er genoß die Brut-Tage sogar sehr. Solche fanden in ihrem Hause statt, wo Paul übrigens niemals gewohnt hat, auch nicht während der allerersten Zeit in München. Sondern von Anfang an in einer Pension an der Akademie-Straße. Die Ergoletti brütete Paul auch gesellschaftlich aus, er ist in alle großen Münchener Häuser durch sie gekommen, und war gleich im ersten Fasching auch sonst überall dabei: ein tüchtiger Tänzer; das erwartete man von einem jungen Wiener; zum Glück entsprach er dem wirklich.
Paul galt als junger Herr aus reichem Hause; und das war er ja nun auch, mit seinem Monatswechsel von 500 Mark (viel für damals und für einen Studenten!). Nur eben, daß dieses Geld ja nicht vom Vater Harbach kam. Aber hierin waren sie hochdiscret, Emilia und Paul, und in anderer Hinsicht schon gar und erst recht, so daß man auch hier fast von einer Art Liebeskonserve sprechen könnte, welche die beiden, mitten im bewegten und in jeder Hinsicht abwechslungsreichen Leben der Münchener Gesellschaft, gleichsam in einer Cavität oder irgendeinem Vacuum etablierten, wenigstens während der ersten Jahre.
Es ist hier der Ort zu sagen, daß Doctor Harbach, nicht lange nachdem er sich zu München als Facharzt für innere Medizin niedergelassen hatte, Emilia alle ihm vorgestreckten Beträge zurück erstatten konnte, samt den bankmäßig berechneten Zinsen, die sie ebenfalls ohne weiteres annahm. Die Finanzkraft kam dem Doctor aber noch nicht aus der Praxis. Dies geschah erst später. In diesem Falle aber hatte der alte Harbach seinen Sohn gleichsam wieder an sich gezogen und ihn genötigt, die Gesamtkosten seines Studiums und seiner Ausbildung hintnach en bloc von ihm entgegen zu nehmen (und da rechnete er jetzt nobel, der große glatzköpfige Ofen). Das sei Pauls gutes Recht, meinte er, und anders wäre dieser den Mädchen gegenüber als Erbe benachteiligt.
Es geschah dies ungefähr um jene Zeit, als Emilia Ergoletti in ihre zweite Ehe trat, mit einem großen Maschinenfabrikanten namens Mangolf.
D as Diner fand in den ,Vier Jahreszeiten‘ statt, und freilich war Dr. Harbach eingeladen, wie andere Freunde des Hauses auch. Dennoch, er fühlte sich, befrackt unter Befrackten, in den Vorgang allzu enge eingepackt. Begrüßt, wie die anderen, von Emilia; den Ingenieur Mangolf kannte er schon aus früherer Zeit: er war so lang, daß er Emilia erheblich überragte. Entweder war sein Kopf mit den glatt anliegenden blonden Haaren wirklich etwas klein, oder aber, er sah nur so aus, von unten nämlich, durch die Höhe. Dieser also hätte in die Familie Harbach gepaßt (Paul dacht’ es!), wahrscheinlich auch noch in anderer Hinsicht. Die Ergoletti aber schien ihre Abneigung gegen bürgerliche Kreise nun endgültig aufgegeben zu haben.
Er steckte, der Doctor Paul (sonst wahrhaft nicht ungewandt), hier und heut’ in einer Art Steifheit, die ihn von unten herauf umfaßte und hielt, nicht mehr aber den Kopf, der dies alles lächerlich fand: dem Dahingegangenen allzu lange nachzublicken nämlich (vorgeglotzt und nachgeblickt, was da nicht dazwischen liegt!). Erst nach Tische, in den Salons, als man unaufhörlich mit dem Champagner umherging, geschah eine unvermutete Lösung. Plötzlich stand sie vor ihm, ihre großgeschlitzten Augen schlugen sich feucht auf, während sie zu
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