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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sinne des Wortes).
    „Sie irren“, wiederholte sie.
    Dann ließ sie den Schuss aus dem Rohr.
    Sie sei keineswegs eine Wohltäterin, sagte sie, derartiges liege ihr durchaus nicht. Es gehe ihr ausschließlich um ein Experiment. Nämlich: ihn, Paulchen (!), ,zu versetzen‘. (Diesen letzteren Ausdruck gebrauchte sie noch mehrmals. Er bedeutet ja zudem als ,versetzt werden‘ in Deutschland – nicht in Österreich – das Aufsteigen eines Schülers in die nächsthöhere Klasse. Doch an diesen Sinn des Wortes wird die Ergoletti hier kaum gedacht haben.) Die früher beschriebene Lage eines jungen, unabhängigen Menschen sei für ihn durchaus ergreifbar. „Sie müssen dazu wissen, daß dies für mich nur eine lächerliche Kleinigkeit wäre. Außerdem können Sie mir später einmal gerne alles wieder zurückgeben. Sie haben, wenn Sie einverstanden sind, von Ihrem bestandenen Abitur an, sagen wir einfach: ab 1. Juli, einen festen Monatswechsel von 500 Mark, und ein offenes Konto für Sonderausgaben, vorläufig bis zu 5000 Mark – und das so lange, bis Sie als Arzt etabliert sind. Bei letzterem werde ich Ihnen wirksam helfen können, sowohl durch Geld, wie durch Beziehungen.“
    „Und womit muß ich einverstanden sein?“ fragte er. „Sie sagten doch, gnädige Frau: ,Wenn Sie einverstanden sind‘.“
    Diese Bemerkung war sicher nicht günstig. Sie war stützig, sie brachte eine Hemmung in die Lage, sie wäre geeignet gewesen, die Ergoletti abzubremsen. Zugleich aber zeigte sich darin Pauls völlige Unbewegtheit. Es war die eines Außenstehenden. Die Ergoletti erschrak beinahe, und doch beglückte es sie zugleich.
    „Ich meinte damit nur: wenn Sie annehmen wollen, was ich Ihnen biete.“
    „Ich weiß es noch nicht“, sagte er. „Derartiges erfordert Überlegung.“
    Sie sprang ab, vor einer möglichen Alternative nämlich.
    „Ich war heute vormittags bei Ihren Eltern, Paul“, sagte sie, „habe meinen Besuch gemacht. Ganz abgesehen davon, daß ich in bürgerlichen Kreisen überhaupt nicht gerne verkehre“ (oho! Putzinger, Putzinger!!!) mir ist klar, daß dieses Milieu Sie verbiegen muß. Muß, sage ich. Ihr Vater ist ganz und gar dagegen, daß Sie Medizin studieren, es ist zufällig zur Erwähnung gekommen. Natürlich, er will einen Nachfolger im Geschäft. Und wer garantiert ihm dafür, daß eines von den Mädeln ihm einmal jemand in’s Haus bringen wird, der dafür in Betracht kommt. Ihre Mama sieht mir zudem nicht gerade so aus, als ob sie später einmal besonderes Geschick im Verheiraten von Töchtern entwickeln würde. Ist ganz von sich selbst eingenommen, und wird es wohl auch bleiben. Als unwillkommener Medizinstudent in nächster Nachbarschaft eines Stalles voll von Gören! Nein.“
    Sie schwieg kurz – er auch – und dann sagte sie:
    „Seien Sie nicht dumm. Befreien Sie früh Ihr Leben. Auf Sie wartet ein Vermögen, aber was haben Sie jetzt davon. Jetzt! Jetzt! Ich steh’ Ihnen zur Verfügung. Ich hab’ halt diesen Vogel. Für mich ist das Finanzielle dabei nur ein kleiner Schmarrn. Seien Sie klug, Paul, und unbedenklich zugleich.“
    H ätte er die Irma Russow damals schon gekannt: so ganz unzweifelhaft wie jetzt wäre der Ausgang dieser Sachen vielleicht doch nicht gewesen. Ihr gegenüber wollte es dann gleichwohl noch zu einer Art romantischer Treue kommen, die, bei bestehendem zeitlichem Vorsprunge der Irma, sich zumindest deutlich hemmend in’s innere Gespräch gemischt hätte. So aber ward ein derartiger Effekt schließlich doch beiseite gedrängt. Fast immer bildet ein Opfern von Sentiments einen späteren festen Aufbaustein für’s Leben; in längerer Frist wohl. Aber es erweist sich. Auch bei Paul Harbach erwies es sich.
    Er muß was von jener vordem erwähnten genaueren Punktezählung in frühen Jahren zur selben Zeit schon gewußt haben; und vielleicht besaß er überdies genug Vorstellungskraft und genug im Elternhause bei ihm gewachsene Abneigung gegen spießerische Entwicklungen oder Abläufe aller solcher Sachen, um zu wissen, was bei Weiterverflechtung der gefühligen Fäden zwischen ihm und Irma einzig herauskommen konnte: nämlich nichts. Ein blasses Dahinsinken, ein Auftakt ohne Folge. Wobei zweifellos etwas verwaschen und verdünnt und verdorben werden mußte, was – und dies nun stand ihm in bemerkenswerter Weise ganz außer Zweifel! – an und für sich einen höchsten Wert darstellte, der bewahrt wurde just dadurch, daß man sich eben von ihm löste.
    So sah späterhin

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