Die Wassermuehle
Termin frei“, sagte Vivienne. „Was hältst du von einem kleinen Kaffeeplausch bei Georgies? “
„Und wo wohnt der?“
„Sag bloß, du kennst das Georgies nicht? Der Szene-Treff in Frankfurt!“
„Ich lebe in Offenbach.“
Vivienne lachte. „Dann komm halt zum Dom. Ich nehme an, den finden auch Offenbacher. Um Viertel vor vier am Haupteingang?“
„Weißt du, eigentlich ...“
„Ich bin gespannt, was du mir alles zu erzählen hast! Also dann bis Mittwoch, ja?“
„Ja. Tschüss.“ Hedi legte auf. Warum sagte sie immer Ja, wenn sie Nein meinte! Sie ging zum Bügelbrett zurück. Klaus hatte sich den Pizzarest aus dem Kühlschrank geholt, und sie ärgerte sich, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam, weil sie ihm nichts gekocht hatte.
„Wer war das denn?“, fragte er kauend.
„Eine Schulfreundin.“
„Es klang nicht so, als hättest du dich über ihren Anruf gefreut.“
Hedi nahm eine Bluse aus dem Korb. „Es gibt noch mehr Dinge, über die ich mich heute nicht gefreut habe!“
„Was wollte sie?“
„Sich mit mir treffen.“
„Warum?“
„Herrgott! Was weiß denn ich?“
„Es zwingt dich niemand, die Einladung anzunehmen, oder?“
„Genausowenig, wie dich jemand zwingt, im ersten Stock ständig nach links abzubiegen.“
„Ich habe gesagt, dass es mir leid tut. Könnten wir es dabei belassen?“
„Wie lange denn? Bis morgen?“
Klaus klappte die leere Pizzaschachtel zu und stand auf. „Ich muss zum Dienst. Mach’s gut.“ Er ging ohne Abschiedskuss.
Hedi hasste es, wenn er vor Auseinandersetzungen davonlief. Genauso, wie sie es hasste, in einem maroden Mietshaus zu wohnen, nur weil er jeden Cent für ein Eigenheim sparte, das sie sich doch nie würden leisten können. Und ganz besonders hasste sie es, dass er es nicht merkte, wenn sie einen schlechten Tag hatte!
Zwei Stunden später, der Mörder im Tatort war gerade dabei, sein Opfer umzubringen, klingelte das Telefon. Hedi hatte den Apparat in weiser Voraussicht in den Flur verbannt und es sich mit einer Dose Erdnüsse und einer flauschigen Decke auf der Couch bequem gemacht. Sie ließ es klingeln. Dominique steckte ihren Kopf zur Tür herein. „Oma Resi wünscht dich zu sprechen, Mama.“
Hedi verzog das Gesicht. „Ich bin nicht da.“
Dominique grinste. „Tja, das hättest du mir mal vorher sagen sollen. Aber ich bin nett und bringe sie dir.“
Mit einem unterdrückten Fluch stellte Hedi den Fernseher leise. Oma Resi war die Mutter von Klaus und hieß mit vollem Namen Therese Augusta Winterfeldt. Sie vertrat die Ansicht, dass eine Frau für den Haushalt und der Mann fürs Geldverdienen zuständig sei. Ihrer war vor vier Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Oma Resi lebte seitdem allein in ihrer Wiesbadener Fünfzimmerwohnung, ging montags zum Seniorenschwimmen, mittwochs zum Friseur und alle vierzehn Tage zur Kosmetikerin. Mindestens einmal pro Woche rief sie in Offenbach an, um ihren jüngsten Sohn zu fragen, warum ihm nichts Besseres eingefallen sei, als Polizist zu werden und eine Krankenschwester zu heiraten.
Dominique gab ihr das Telefon.
„Guten Abend, Schwiegermama“, sagte Hedi freundlich.
„Ist Klaus da?“
„Er hat Nachtdienst.“
„Heute Morgen sagte mir dein Sohn, dass er im Frühdienst ist!“
„Ich habe dir vorige Woche erklärt, dass die Polizei Frühdienst und Nachtdienst am selben Tag hat.“
„Willst du damit andeuten, dass ich dement werde?“
„Soll ich ihm etwas ausrichten?“
„Ich werde wohl selbst mit meinem Sohn sprechen dürfen!“
„Er ruft dich morgen zurück.“
„Morgen habe ich Gymnastikstunde.“
„Den ganzen Tag?“
„Nachmittags kommen meine Freundinnen zum Romméspielen.“
„Ich sage ihm, er soll abends anrufen.“
„Vormittags passt es besser.“
„Da schläft er.“
„Du lässt zu, dass dein Mann bis in die Puppen im Bett herumliegt?“
„Er hat Nachtdienst, Schwiegermama.“
„Ich melde mich. Auf Wiederhören!“ Es klang wie eine Drohung.
Hedi legte das Telefon weg und kuschelte sich in ihre Decke. Der Kommissar war auf dem Weg zum Tatort. Bevor er ankam, klingelte das Telefon. Es gab Tage, an denen Hedi ernsthaft darüber nachdachte, einfach zu verschwinden.
„Guten Abend, Hedwig“, meldete sich Hedis Schwägerin Anette. Sie lehnte es ab, Hedi zu sagen. Hedi fand sie albern. „Bitte entschuldige, dass ich dich so spät noch störe, aber ich bin in der Bredouille.“
Soviel Freundlichkeit konnte nur eins bedeuten. Willst du mal
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