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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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erste Liebe ausgespannt.“
    „Ich habe dich vor einem Finanzbuchhalter mit Bierbauch und Doppelkinn bewahrt. Und einen Mann hast du ja trotzdem abbekommen. Wie habt ihr euch kennengelernt?“
    Hedi war irritiert. War dieses Treffen etwa ein verspäteter Wiedergutmachungsversuch? Wegen Viviennes Wette war sie damals zum Gespött der ganzen Klasse geworden. Und ihre Mutter hatte weinend bei Hedwig Courths-Mahler Trost gesucht.
    „He! Träumst du?“
    Hedi erschrak. „Nein. Wo waren wir gerade?“
    „Beim ersten Date mit deinem Traummann.“
    „Ich traf Klaus auf einer Faschingsparty, auf die ich gar nicht gehen wollte. Ich war neunzehn, er vierundzwanzig.“
    „Gott! Geht’s etwas romantischer?“
    „Ich verliebte mich auf der Stelle, und wir heirateten ein Jahr später im Wonnemonat Mai. Ist das romantisch genug?“
    „Sah er wenigstens gut aus?“
    „Umwerfend.“
    „Und? Hat er sich gehalten?“
    „Soll ich mich scheiden lassen, weil ihm langsam die Haare ausfallen?“
    „Wieso? Männer mit Glatze sind erotisch! Was tust du noch, außer einen Ehegatten, zwei Kinder und ein paar Kranke zu versorgen?“
    „Vor der Nachtschicht in die Oper gehen und beim Bügeln Goethe und Schiller lesen!“
    „Sag ehrlich: Bist du glücklich?“
    „Warum hast du mich angerufen?“
    „Dein Polizist ist ein interessanter Mensch.“ Vivienne trank ihren Espresso aus. „Ich kenne keinen Mann, der Krawatten so sehr verabscheut, dass er nicht einmal zu seiner Hochzeit eine trägt, aber andererseits einen Beruf ergreift, der ihn zwingt, die Dinger jeden Tag umzubinden.“
    „Woher weißt du das?“, fragte Hedi scharf.
    „Seine Mutter hat einen Tobsuchtsanfall bekommen, als er ihr sagte, dass er auf ein Jawort in der Kirche verzichtet. Und deine einen Weinkrampf, stimmt’s?“
    Hedi kramte in ihrer Tasche und legte einen Zehner auf den Tisch. „Es war nett, dich zu sehen. Betrachte dich als eingeladen. Der Rest ist Trinkgeld.“ Bevor János zur Garderobe eilen konnte, hatte Hedi ihre Jacke heruntergerissen und das Café verlassen.
    Am Ende der Straße holte Vivienne sie ein. „Bitte entschuldige“, sagte sie außer Atem.
    Hedi sah sie wütend an. „Du rufst mich aus heiterem Himmel an, willst dich unbedingt mit mir treffen und tischst mir Anekdoten aus meinem Leben auf, die ich nicht mal meiner besten Freundin erzählen würde! Was willst du von mir? Woher kennst du meinen Mann?“
    „Ich kenne ihn ja gar nicht“, gestand Vivienne ein. „Ich hatte in der vergangenen Woche zufällig das Vergnügen, mit deinem Schwager zu plaudern.“
    „Wie bitte?“
    „Na ja, der Empfang war öde und Bernd Winterfeldt ziemlich sektbeseelt. Als er herausbekam, dass ich mit dir die Schulbank gedrückt habe, wurde er gesprächig.“
    „Und was hat er in seiner Sektseligkeit noch alles von sich gegeben?“
    „Dass seine Frau zickig ist und sich für moderne Kunst interessiert. Leider wurde unser Gespräch abrupt durch eine junge Blondine beendet.“ Vivienne sah zu Boden. „Er hat mir erzählt, was mit deiner Mutter geschehen ist. Und irgendwie ...“
    „... geht dich das überhaupt nichts an!“
    „Ich habe gedacht, nach den vielen Jahren wäre es an der Zeit, das Kriegsbeil zu begraben. Wenn du auf der Klassenfeier nicht so schnell verschwunden wärst, hätte ich das Thema längst zur Sprache gebracht.“
    Hedi ging wortlos weiter.
    „Kannst du den alten Mist nicht einfach vergessen? Wir waren Kinder!“, rief Vivienne ihr nach.
    Hedi blieb stehen. Vivienne schloss zu ihr auf. „Ich schlage vor, wir nehmen bei mir zu Hause einen Versöhnungstrunk, und ich erzähle dir von meinem Mann. Wir sind zwar nur Laps, aber wir harmonieren hervorragend miteinander.“
    Sie gingen in Richtung Main.
    „Was, bitte, sind Laps?“, fragte Hedi, als sie den Eisernen Steg überquerten.
    „Lebensabschnittspartner“, sagte Vivienne lächelnd. „Ich lernte ihn vor vier Monaten bei einer Vernissage kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick! Er sieht klasse aus und trägt mich auf Händen.“
    „Was macht er beruflich?“
    „Jean-Paul ist Kunstmakler. Durch ihn habe ich Zugang zu den besten Kreisen der Stadt. Er organisiert meine nächste Ausstellung.“ Sie blieb vor einer aufwendig restaurierten Stadtvilla stehen. „Mein Zuhause.“
    „Alles?“, fragte Hedi ungläubig.
    Vivienne schloss das schmiedeeiserne Tor auf. „Nur die Wohnung im ersten Stock.“
    Die Wohnung im ersten Stock dehnte sich bis in den zweiten aus und umfasste ein

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