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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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„Das hier muss rüber ins Präsidium. Kannst Dagmar mitnehmen.“
    „Was hat Herr Kissel denn nun gesagt?“, fragte Dagmar, als sie aus dem Hof fuhren.
    „Nichts, das der Rede wert wäre.“
    Dagmar warf Klaus einen scheuen Blick zu. „Was hat Michael mit umgebettet gemeint?“
    „Wir alten Säcke haben uns den Oberkommissar sozusagen per Geburtsurkunde verdient. Nutzt zwar nichts auf dem Gehaltszettel, sieht aber nett aus beim Unterschreiben.“
    „Warum sagst du das so sarkastisch?“
    „Hans-Jürgen zieht die Jacke mit den hübschen Sternen nicht mal aus, wenn er aufs Klo geht, und in der A-Schicht wurde ein dienstunfähiger Kollege auf wundersame Weise von allen seinen Leiden geheilt. Ob unseren Politikern bewusst war, was sie mit der Zweigeteilten Laufbahn bei der Polizei alles bewirken?“
    „Ich sehe das gar nicht so negativ.“
    „Es ist schwer, den ganzen Häuptlingen klarzumachen, dass sie trotzdem bloß Indianer sind.“ Klaus parkte auf dem Hof vor dem Polizeipräsidium. „Mir persönlich ist es piepegal, ob ich mich Hauptmeister oder Kommissar schimpfe. Ich mache die gleiche Arbeit wie vorher.“
    „Ich müsste schnell wohin, Herr Oberkommissar“, sagte Dagmar.
    „Im Erdgeschoss links, Frau Kommissarin.“
    „Danke, ich kenne den Weg. Ich hatte während meines Praktikums schon das Vergnügen.“
    Klaus wartete im Flur. Verächtlich musterte er sechs Reihen krummer farbiger Striche auf der linken Wand und eine Reihe krummer farbiger Striche auf der rechten Wand.
    „Kunst am Bau“, sagte Dagmar, als sie von der Toilette kam.
    „Sieht aus wie Christoph-Sebastians erster Malversuch.“
    „Wer ist Christoph-Sebastian?“
    Klaus ging zum Fahrstuhl. „Das widerlichste Kind der Welt. Ich habe die Ehre, sein Patenonkel zu sein.“
    Dagmar lächelte. „Du solltest dir deinen Christoph-Sebastian warmhalten. Ich habe gehört, dass die Wandverschönerung die Steuerzahler mehr als zehntausend Euro gekostet hat.“
    Der Fahrstuhl kam. Sie fuhren in den dritten Stock. „Bis auf knapp eintausend hat es Christoph-Sebastian mit seinen Malkünsten immerhin schon gebracht“, sagte Klaus. „Das hat sein Papi nämlich für unsere neuen Wohnzimmermöbel hinlegen müssen.“
    Dagmar lachte. „Du bist unmöglich!“
    Sie verließen den Fahrstuhl. Klaus zeigte auf die Neonröhren im Flur, die sich unterhalb der Decke entlangzogen und genauso schief waren wie der knallblaue Pfeiler im Treppenhaus. „Noch mehr Kunst am Bau. Und obendrein ein Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen: Die Lampen müssen sie öfter mal auswechseln, weil sie dem Gesetz der Schwerkraft folgen.“ Er klopfte an ein Büro des Einbruchskommissariats.
    „Herein!“, tönte eine männliche Stimme.
    Hinter Bergen von Akten saß ein etwa dreißigjähriger Mann mit Vollbart und tippte etwas in seinen Computer.
    „Tag, Dieter“, sagte Klaus. „Ich bringe dir Arbeit.“
    „Wirf’s auf den Haufen da.“
    Klaus legte die Akte auf den kleinsten der Stapel und zeigte auf den leeren Stuhl davor. „Wo ist denn Stefan?“
    „Der lässt sich zum Moderator ausbilden.“
    „Was? Während der Dienstzeit? Und was sagt euer Chef dazu?“
    Dieter sah von seinem Computer auf. „Wohl noch nie was vom Leitbild der hessischen Polizei gehört, Kollege!“
    Klaus schloss die Tür. „Doch. Mit d in der Mitte.“
    „Die Moderatoren sollen als Multiplikatoren dienen und die Internalisierung des Leitbildes bei den einzelnen Organisationseinheiten fördern helfen“, sagte Dagmar. „Zum Beispiel durch Workshops.“
    Sie setzte sich auf Stefans Stuhl. „Das Leitbild macht Werte und Tugenden bewusst, stärkt das Selbstverständnis der Polizei und hilft, Ziele nach innen und außen deutlicher und verständlicher zu machen. Sogar Herr Kissel hat sich an der Leitbilddiskussion beteiligt.“
    „Ich wusste, warum ich das Ding durch den Schredder gejagt habe.“
    Dieter lachte. Dagmar war fassungslos. „Das kannst du doch nicht machen, Klaus!“
    „Du hast recht. Der Schredder war hinterher kaputt.“ Er zeigte auf die Aktenstapel. „Und wer bearbeitet das jetzt, wenn Stefan Talkshows moderiert?“
    Dieter nahm die Akte, die Klaus mitgebracht hatte, und zog eine Grimasse. „Sie haben doch sicherlich Verständnis dafür, dass bei der derzeitigen knappen Personalsituation bis auf Weiteres kein Ersatz gestellt werden kann. Zitatende.“
    „Und sonst?“
    Dieter blätterte in der Akte. „Heute fangen wir die Täter ein, morgen laufen sie wieder draußen

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