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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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vorstellte. Bevor sie ihn in ein längeres Gespräch verwickeln konnte, komplimentierte Vivienne ihn hinaus.
    „Warum wohnt ihr nicht zusammen?“, fragte sie, als Vivienne zurückkam.
    „Ich kann die räumliche Nähe zu einem Mann auf Dauer nicht ertragen. Es schadet meiner Inspiration. Magst du Tee oder Kaffee?“
    „Kaffee. Er sieht jung aus.“
    Vivienne stellte eine silberne Schale mit Trüffelpralinen auf den Tisch. „Soll das heißen, ich sehe alt aus?“
    Hedi nahm sich eine. „Entschuldige. Ich meinte nur wegen deiner Ausstellung.“
    „Welche Ausstellung?“
    „Du hast gesagt, dass er dich fördert und ...“
    „Das hast du falsch verstanden. Claude ist talentiert. Ich bringe ihn mit den richtigen Leuten zusammen.“
    „Hieß er neulich nicht Jean-Paul?“
    Vivienne lachte. „Jean-Paul war ein Reinfall. Den habe ich in die Wüste geschickt. Ich setze uns einen Kaffee auf, ja?“
    Hedi lehnte sich auf dem Biedermeiersofa zurück. Die Palmen waren größer, als sie sie in Erinnerung hatte; genau über ihrem Kopf wuchsen zwei Wedel ineinander. Gegensätzlicher als sie und Vivienne konnten zwei Frauen nicht sein. Was versprach sie sich von einer Freundschaft mit ihr? Verständnis wohl kaum. Genugtuung? Sie war kein dummer Teenager mehr und das Kapitel Marianne Klammbiel längst abgeschlossen. Was war es dann?
    „So sitze ich auch oft und träume.“ Vivienne stellte zwei filigrane kobaltblaue Tassen auf den Tisch und schenkte Kaffee ein. „Du siehst aus, als hätte ich dich bei etwas Verbotenem erwischt.“
    Hedi betrachtete ihre Tasse. Anette besaß ähnliches Geschirr. „Ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, weshalb ich hier bin. Warum du mich eingeladen hast, meine ich.“
    Vivienne lächelte. „Wie wär’s damit: Weil ich Lust habe, mich mit dir zu unterhalten?“
    Hedi goss Milch in ihren Kaffee und rührte um. „Tust du immer das, wozu du gerade Lust hast?“
    „Du etwa nicht?“
    „Ich habe einen Beruf und eine Familie.“
    „Na und? Sag mal, ziehst du auch mal was anderes an als Jeans?“
    „Wie kommst du denn jetzt darauf?“
    „Ist mir eben aufgefallen.“
    Hedi zuckte die Schultern. „Wie du weißt, war ich schon als Kind ein Modemuffel. Für Silvester muss ich mir allerdings etwas einfallen lassen. Mein Schwager feiert seinen fünfzigsten Geburtstag und fühlte sich bemüßigt, Klaus und mich einzuladen. Man bat ausdrücklich um angemessene Kleidung.“
    Vivienne schmunzelte. „Du magst deinen Schwager nicht besonders, oder?“
    „Er mag mich auch nicht besonders. Aber da ich jetzt eine berühmte Künstlerin kenne – wer weiß?“
    Vivienne nahm sich eine Praline. „Ich hoffe, du hast meine Fragen neulich nicht in den falschen Hals bekommen. Sie waren rein beruflicher Natur. Antoinette ist der Name Winterfeldt nämlich kein Begriff.“
    „Wer, bitte, ist Antoinette?“
    „Ach je, entschuldige: Antoinette von Eschenberg ist meine Agentin. Sie makelt meine Bilder weltweit an solvente Sammler. Und weil dein Schwager erwähnte, dass seine Frau moderne Kunst sammelt, dachte ich ...“
    „Sagtest du nicht, dass Jean-Paul sich um den Verkauf deiner Bilder kümmert?“
    „Jetzt nicht mehr.“ Vivienne trank ihren Kaffee aus. „Wir sollten zur Zeil fahren und ein schickes Kleid für dich aussuchen, das deine hochnäsige Verwandtschaft vor Neid erblassen lässt.“
    „Ich hasse Kleider.“
    Vivienne lachte. „Ich brauche auch noch etwas Nettes. Ich gebe an Heiligabend einen Empfang. Du bist übrigens herzlich eingeladen.“
    Zwanzig Minuten später schlenderten sie unter weihnachtlich beleuchteten Platanen durch die Fußgängerzone. Vor dem Schaufenster einer kleinen Boutique blieb Vivienne stehen und bewunderte ein dottergelbes Seidentop. Hedi fand die Farbe furchtbar und den Preis unverschämt.
    „Vielleicht haben sie einen hübschen Rock dazu“, sagte Vivienne. Sie gingen hinein und Vivienne steuerte einen Rundständer mit Kleidern an. „Soll ich dir verraten, was ich angestellt habe, als ich mir keine teuren Klamotten leisten konnte?“
    Hedi überlegte, ob Viviennes Eltern vielleicht doch nicht so reich gewesen waren, wie sie bislang angenommen hatte.
    Übermütig drehte Vivienne den Ständer im Kreis. „Ich bin in die exklusivsten Boutiquen spaziert, habe mir Haute Couture im Dutzend bringen lassen, ein halbes Dutzend anprobiert und bedauernd festgestellt, dass nichts Passendes dabei sei.“
    „Die Verkäuferin schaut zu uns herüber.“
    „Ich habe Qualität

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