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Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Titel: Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Hamilton
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zurück nach Miami geflogen, ich hingegen habe beschlossen, ein Weilchen hierzubleiben. Das ist jetzt fünf Jahre her. Ist zwar nicht Miami, doch der Job ist gut, das Bier billig und die Frauen willig.«
    »Klingt nach guten Gründen, um zu bleiben.«
    Jeff zuckte die Schultern. »Ich will nicht wie ein Arsch klingen. Aber so ist es nun mal.«
    »Das war nicht ironisch gemeint«, sagte Ava. Ihr fiel auf, dass sie jetzt durch dichter besiedeltes Gebiet fuhren.
    »Georgetown«, sagte er.
    Die Schlaglochdichte und -größe nahm zu, und er musste sich wieder auf den Verkehr konzentrieren. Als sie sich im Zickzackkurs der Stadt näherten, fiel Ava als Erstes auf, dass sämtliche Gebäude aus Holz bestanden. Viele waren baufällig wirkende, dreistöckige Gebilde, von denen jeweils drei oder vier dicht nebeneinander gebaut waren, um sich gegenseitig zu stützen. Ein paar Gebäude standen sogar auf Stelzen. Das Holz war ausgeblichen, grau und verwittert, ähnlich wie bei den Häusern, die Ava auf Cape Cod gesehen hatte. Die hatten allerdings statt hölzernen Fensterläden oder Vorhängen aus Stofffetzen Glasfenster gehabt, und in Neuengland gab es ein paar farbliche Akzente, die in Georgetown komplett fehlten, mit Ausnahme einer Mauer, auf der in roter Farbe geschrieben stand: GOTT LENKT UNSER GESCHICK . ALLES IST GUT .
    Die Ladenfronten waren etwas farbenfroher, handbemalte Schilder zierten die Holzfassaden, an denen diverse Waren und Dienstleistungen angepriesen wurden. Die Schaufenster und Türen waren mit stabilen Eisengittern gesichert, und auch die Serviceschalter und Kassen im Inneren schienen mit vom Ladentisch bis zur Decke reichende Metallabsperrungen von den Kunden getrennt zu sein, die das Geld durch einen Schlitz schoben und durch einen anderen ihre Ware erhielten.
    »Das muss so sein«, sagte Jeff und deutete auf eine Ladenzeile, »sonst würden sie jeden Tag ausgeraubt.«
    Unterdessen waren sie in der Innenstadt angelangt. Ausladende, weiße Bauten kamen in Sicht, und sie fuhren an einem Gebäude vorbei, das diverse Gerichtshöfe beherbergte. Von weitem wirkten sie sehr elegant, doch als sie näher kamen, bemerkte Ava, dass die Farbe abblätterte und einige der Fensterläden zersplittert waren oder schief in den Angeln hingen. Zwischen dem Gehsteig und den Gebäuden verlief ein Streifen trockener, rissiger Erde mit einer Statue Königin Viktorias. Sie hatte keine Hände mehr, und der Torso war mit Graffiti beschmiert. Ava wandte den Blick ab. Es hatte etwas Deprimierendes, wenn öffentliche Institutionen – die Sinnbilder einer Nation – dem Verfall preisgegeben waren. Es verriet ebenso viel über die Menschen, die sie repräsentierten, wie über die Gebäude selbst.
    Als Nächstes fiel ihr eine hölzerne Kirchturmspitze ins Auge, die die restliche Stadt überragte.
    »St. George, eine anglikanische Kirche«, sagte Jeff. »Der Kirchturm ist vierzig Meter hoch, es ist die größte Holzkathedrale der Welt.«
    »Und was ist das?«, fragte sie, als ein Uhrenturm auf der anderen Seite ihre Aufmerksamkeit erregte.
    »Das ist Stabroek Market, der bizarre Basar. Da kann man so ziemlich alles kaufen – von der Ananas über Schuhe, Möbel und Schmuck bis hin zum ganzen Schwein.«
    »Woraus ist der Turm gemacht?«
    »Eisen. Das Ding besteht ganz aus Wellblech und Gusseisen. Was kann man schon von einem Gebäude erwarten, das von nem Ingenieur entworfen und von ner Stahlfirma gebaut wurde?«
    »Interessant«, sagte Ava.
    »Hält sich in Grenzen.«
    Am Ende der High Street bog Jeff erst rechts und dann sofort wieder links ab. »Ab jetzt gehts nur noch geradeaus«, sagte er.
    Das Phoenix Hotel war ein großer, weißer Holzkasten, sechs Stockwerke hoch und viermal so breit, der auf beiden Seiten nur von blauem Himmel flankiert war. Eine Reihe Palmen schmückte die Fassade und säumte das Gelände und den Rand der runden Einfahrt, in deren Mitte ein Brunnen prangte: sechs Delfine, die trübes Wasser spien.
    Jeff fuhr die Auffahrt hoch und hielt vor dem Hoteleingang. Die offenen Türen gaben den Blick auf eine riesige Lobby frei, an deren anderem Ende eine weitere Tür eine beeindruckende Sicht auf den Atlantik bot.
    Ava stieg aus und schaute sich um. Zu ihrer Linken entdeckte sie einen schlammigen, braunen Strom, der träge in Richtung Meer floss.
    »Das ist die Mündung des Demarara River«, erklärte Jeff.
    »Demarara wie der Rum?«
    »Genau der. Die Brennerei liegt stromaufwärts.«
    Nach einem Blick auf die

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