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Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition)

Titel: Die Wasserratte von Wanchai / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Hamilton
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den Verstand verloren, tat es jedoch.
    »Ich heiße übrigens Jeff.«
    »Hi, Jeff. Wie weit ist es bis zum Hotel?«
    »Knapp fünfundvierzig Kilometer.«
    »Eine halbe Stunde?«
    »Sie sind zum ersten Mal hier, stimmts?«, gab er zurück, und sie hörte einen leichten neuenglischen Akzent heraus.
    »Stimmt.«
    »Dachte ich mir. Wir brauchen ne Stunde oder länger.«
    »So viel Verkehr?«
    Er lachte. »Ja, so ähnlich.«
    Nach weniger als einem Kilometer erreichten sie eine lange Reihe von Fahrzeugen, die auf der zweispurigen Straße langsam in Schlangenlinien von einer Fahrbahn zur anderen fuhren und dabei heftig auf und ab wippten. Jeff schloss sich der Polonaise an. »Alle versuchen, die Schlaglöcher zu umfahren«, sagte er. »Es gibt ein paar Streckenabschnitte auf dem Weg nach Georgetown, wo es nicht ganz so schlimm ist, aber nicht viele. Deshalb müssen wir so langsam fahren, wie der langsamste Fahrer vor uns. Sorry. So läuft das hier.«
    »Zum Glück haben Sie einen Jeep.«
    »Es gibt ein paar Schlaglöcher, besonders in der Stadt, aus denen man nicht mal mit dem Jeep wieder rauskommt.«
    Einige Löcher verliefen über beide Spuren, und man musste zum Teil lange warten, bis die aus entgegengesetzten Richtungen kommenden Fahrer sich geeinigt hatten, wer Vorfahrt bekam. Ava konzentrierte sich auf die Aussicht, damit ihr von der Schaukelei nicht übel wurde. Es war eine ländliche, flache, da und dort von Reisfeldern gesprenkelte Landschaft. In der Ferne bot sich ihr der vertraute Anblick von Zuckerrohr-Feldern. Zucker und Reis – die Haupt-Anbaupflanzen der ärmsten Länder der Welt.
    Die Eintönigkeit der Aussicht wurde nur hin und wieder durchbrochen, wenn alle paar Kilometer ein Dorf, oft nur eine Ansammlung von knapp einem Dutzend Hütten, auftauchte. Sie standen direkt an der Straße. Nicht eine davon war aus Ziegeln gebaut. Die meisten bestanden aus einem Holzgerüst mit Wänden aus diversen Brettern, Teerpappe und Wellblech. Die Fenster waren mit Stofffetzen verhängt.
    Einige Bewohner lehnten an den Hauswänden und beobachteten den Slalom der vorbeiziehenden Wagen. Andere saßen auf Stühlen, an deren Beinen Ziegen angebunden waren, während Hühner frei herumliefen. Ava erschrak, als Kinder nahe an die Straße kamen, doch Jeff zuckte nicht mit der Wimper und bremste auch nicht, fuhr allerdings ohnehin maximal 30 km/h.
    Die Gegend erinnerte Ava an ländliche Teile der Philippinen, wo niemand arbeitete und man den ganzen Tag nichts anderes tat, als das Leben auf der Straße vorbeiziehen zu sehen. Sie fragte sich, wie viele der Einwohner sich je mehr als zehn Kilometer von ihren Siedlungen entfernt hatten.
    Nach einer Stunde verbesserte sich die Straßenqualität ein wenig, und Ava mutmaßte, dass sie sich Georgetown näherten. Jeff war während der Fahrt schweigsam und angespannt gewesen, und Ava hatte seine Konzentration nicht stören wollen, doch jetzt sagte sie: »Ich will nicht neugierig erscheinen, aber ich habe bei Ihnen einen leichten New-England-Akzent herausgehört.«
    Er hielt den Blick weiter auf die Straße gerichtet. »Sehr clever von Ihnen.«
    »Ich war zwei Jahre in Massachusetts auf der Uni.«
    »Ich komme aus Gloucester.«
    »Was verschlägt jemanden aus Gloucester in diese Gegend?«
    Er sah sie an, zögerte und sagte dann: »Ich bin – war – Fischer. Bin mit nem Krabbenkutter von Florida hergekommen. Wir haben unseren Fang auf See gekauft, haben guyanische Schiffe in bar dafür bezahlt. Wie uns der Kapitän leider verschwiegen hat, wurden die Schiffe von einheimischen Gangstern finanziert, und die waren alles andere als erfreut über unsere kleinen Schwarzmarktgeschäfte und die Tatsache, dass wir sie beklauten. Wir waren gerade dabei, den Handel abzuschließen, als aus heiterem Himmel zwei Schnellboote aufkreuzten und uns das Geschäft gründlich vermiesten.«
    »Wie das?«
    Wieder warf er ihr einen Blick zu. »Sie haben den Kapitän und zwei andere Männer vom guyanischen Schiff abgeknallt und ihre Leichen ins Meer geworfen. Unser Schiff haben sie versenkt und uns in einem Rettungsboot auf See ausgesetzt.«
    »Scheiße.«
    »Das können Sie laut sagen. Irgendwie haben wir nach Georgetown gefunden. Der Kapitän ist zu den Bullen gegangen, aber die haben so getan, als wäre das nichts Besonderes. Sie meinten sogar, wir hätten verdammtes Glück gehabt, es bis zur Küste geschafft zu haben, und rieten uns, es dabei zu belassen. Der Kapitän und der Rest der Mannschaft sind

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