Die Wedding-Planerin
Geburtenreihenfolge und schließlich das Geschlecht – Töchter und Söhne werden höchst unterschiedlich behandelt. Im Endeffekt ist dies der vielleicht am meisten unterschätzte
Faktor: die Sympathie dem künftigen Schwiegerkind und seinen Eltern gegenüber, was mit der Frage einhergeht, ob sich beide
Elternpaare bereits kennengelernt haben und wie intensiv der Kontakt zueinander ist. Hier ließen sich ganze Generationen von
Soziologen für die Erstellung von Feldstudien beschäftigen, so vielseitig und variabel sind die möglichen zu beschreibenden
Beziehungs- und Handlungsstrukturen.
Als Trauzeugin sind mir bisher im Großen und Ganzen drei Gruppen von Eltern begegnet:
Die Lockeren:
Sie als Alt-68er zu beschreiben, trifft es nicht vollständig, nähert sich der Sache aber deutlich. Eltern, die seit dem
Auszug der Kinder ihr eigenes Leben leben und genießen, die die Entscheidungen der Kids respektieren und jeden Partner,
den das eigene Kind in den letzten Jahren nach Hause gebracht hat, mit offenen Armen und offenem Herzen willkommen geheißen
haben. Sie freuen sich darüber, dass das Kind glücklich ist, halten die Ehe für nicht unbedingt |30| lebensnotwendig, können aber auch die Entscheidung dafür «total gut verstehen» und respektieren den Schritt der beiden. Ihr
höchstes Bestreben ist das Glück und die Freiheit des eigenen Kindes. Sie mischen sich nicht ein, sondern freuen sich, wenn
die Kinder kommen und um Rat und Hilfe bitten.
Solche Eltern-Exemplare machen eine Hochzeit entspannt, die Vorbereitungen lustig und meist unkompliziert. Mit ihnen kann
man als Trauzeugin Pferde stehlen und alles von ihnen bekommen – inklusive des Ersatzschlüssels zur Wohnung des Paares, um
diese für die Hochzeitsnacht zu dekorieren. Probleme, die es mit ihnen gibt, sind meist eher organisatorischer Natur – sie
wollen viel und sind ein bisschen enttäuscht, wenn nicht alles zu realisieren ist.
Die Engagierten:
Hierbei handelt es sich meistens eher um die Eltern der Braut. Sie sehen ihre Tochter in den Hafen der Ehe schippern und freuen
sich ungemein für sie und vor allem für sich selbst, weil sie bald kleine, niedliche Enkelkinder erwarten, die ihnen den
eigenen Lebensabend versüßen werden. Mit der Verkündung der Heirat interessiert sich vor allem die Mutter in den kommenden
Monaten für nichts anderes mehr. Sie kennt bereits nach wenigen Tagen alle Optionen für die Brautkleidsuche, die besten Restaurants,
den romantischsten Park für die Fotos und den perfekten Wein zum Essen. Vor allem aber kennen Freunde, Bekannte und Verwandte
alle ihre Pläne, bevor sie das Hochzeitspaar davon in Kenntnis setzt, denn so sammelt sie stichhaltige Argumente à la «Tante
Maria findet auch, dass das eine tolle Idee ist». Wer annimmt, dass diese Tatsache zu Reibereien führen muss, liegt zwar
nicht ganz falsch, doch meist ist das heiratende Kind bereits im Umgang mit der eigenen Mutter gut geschult und nimmt es
locker. Gefährlich werden eher die Situationen, in denen sie plötzlich am Samstagnachmittag unangemeldet vor der Tür steht,
bestückt mit Tischdeko- |31| und Stoffproben sowie Tante Maria, die zufällig in der Gegend war und ebenfalls ganz kurz ihre Meinung kundtun will: «Kind
wir können doch jetzt nochmal ganz fix bei dem Floristen vorbeifahren. Ich habe uns da mal ganz unverbindlich einen Termin
gemacht.»
Auch die gelassenste Braut benötigt gerade vor ihrer Feier ein bisschen Ruhe und Freiraum, um für den kommenden Ansturm gewappnet
zu sein. Wenn aber Mutti viermal am Tag anruft, zweimal pro Woche vor der Tür steht und dazwischen noch ein Mailbombardement
startet, Entscheidungen schon einmal vorformuliert hat und dann zur Umsetzung ebendieser drängt, kann es auch zu Verstimmungen
beim Paar führen. Meist fühlt sich der Bräutigam in seiner Freiheit eingeschränkt und verlangt von seiner Zukünftigen, die
Grenzen deutlicher zu ziehen. Ein vorehelicher Krach samt Nervenzusammenbruch der Braut ist vorprogrammiert.
Diese Spezies ist für eine Trauzeugin daher vor allem eins: anstrengend. Einziges Gegenmittel: Verbrüderung und jede Menge
Arbeit an Mutti abgeben. Diese Eltern und speziell Mütter wollen das Gefühl haben, involviert zu sein und sich beteiligen
zu können. Ich schütte sie gern mit einer Reihe von kleinen Jobs zu, die keinem wehtun und die mit der Braut abgesprochen
sind. Zudem telefoniere ich mit solchen Menschen gern
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