Die Wedding-Planerin
Feuerwehr- oder sonstigen Feste gibt, die ein dreitägiges
Besäufnis samt Schlägerei nach sich ziehen. Natürlich ist nicht alles am Leben auf dem Dorf negativ – sehr vieles ist sogar
sehr viel lebens- und liebenswerter, als dies in der Stadt jemals möglich sein wird. Im Notfall – sei es Tod, Unfall oder
eine sonstige Tragödie – greift hier ein solidarisches Netz. Ohne zu fragen ist man füreinander da und kann sich einfach aufeinander
verlassen. Auch sind die Menschen sehr viel gelassener, weniger auf Äußerlichkeiten bedacht – wenn man mal vom gepflegten
Vorgarten |42| absieht –, aber es spielt eben keine Rolle, wer meine Jeans hergestellt hat und ob ich gerade blauen oder grünen Lidschatten verwende.
Kurz: Beide Lebensformen haben ihre Vor- und Nachteile. Ich persönlich schätze es sehr, dass ich nach wie vor in beiden Welten
beheimatet bin und häufig genug von dem dörflichen nur das Positive mitbekomme.
Dennoch stünde für mich fest, dass meine Hochzeit nicht und wirklich gar nicht dort – auf dem Dorf – stattfindet. Das solidarische
Netz greift nicht nur im Not-, sondern eben auch im Freudenfall. Es entstehen diverse Verpflichtungen, und es gibt Traditionen,
deren Erfüllung erwartet wird. Folglich werden einige Gelegenheiten zum Feiern rund um die eigentliche Hochzeit geschaffen:
das Kränzen, der Junggesellinnenabschied, der Polterabend und schließlich die Hochzeitsfeier – vier Feiern, die meist binnen
zwei Wochen abgehandelt werden.
Eine zentrale Rolle spielen dabei die Nachbarn der eigenen Eltern und des zukünftigen Ehepartners: Jedes Haus vereint um sich
eine Reihe von Häusern, die eine Nachbarschaft bilden. Der sogenannte «erste» Nachbar (also das Haus der Familie, das dem
eigenen räumlich gesehen am nächsten steht) organisiert im Falle einer Hochzeit das nachbarschaftliche Engagement: Am Wochenende
vor der Hochzeit fahren die Männer dieses Zirkels gemeinsam in den Wald, um Tannenzweige und anderes Grün auf einem Traktor
nach Hause zu karren. Zu Hause sitzen bereits die Frauen. Ausgestattet mit einem enormen Seil, Draht und Papierservietten
werden in den kommenden Stunden aus dem frisch importierten Waldmaterial Kränze gebunden. Das erste Gebinde wird um die Haustür
des Paares und das zweite um die Tür des Festsaales drapiert. Natürlich erfolgen die Vorbereitungen – Waldtour der Männer, Binden der Kränze durch die Frauen – mit großem Aufwand, welcher vom Paar mit Grillwurst und reichlich
Alkoholika entschädigt wird. Man liegt also bereits eine Woche vor dem Fest ermattet unter dem Tisch, wenn der warme (!)
Wacholderschnaps |43| in Strömen geflossen ist. Nicht zu vergessen: Diese Kränze müssen auch wieder abgehängt werden, wenn der Zauber vorbei ist
– es folgt also noch ein sogenanntes Abkränzen, das ähnlich feuchtfröhlich nach der Hochzeit begangen wird.
Den größten Spaß dabei hatte ich eigentlich als Kind. Es gab jede Menge Süßigkeiten und andere Kinder, wir konnten den ganzen
Tag Zitronenlimonade und Malzbier trinken, bis uns schlecht war, und wir konnten, mussten aber nicht mithelfen. Als Teenager
waren mir derartige Zusammenkünfte eher peinlich. Wenn fünf oder sechs Frauen zusammensitzen, einen Kranz binden und sich
darüber unterhalten, wie denn die Braut aussehen wird und wer als Nächstes «dran ist», musste ich regelmäßig flüchten,
bevor ich nach dem aktuellen Stand meines Liebeslebens befragt werden konnte. Später gab es noch zwei, drei dieser Veranstaltungen,
die ich als eher unangenehm in Erinnerung behalten habe, denn ich eigne mich nicht besonders für Basteltätigkeiten. So wurde
das Blumendrehen aus Servietten (hierfür kann man eigens ein Gerät beim Floristen ausleihen), welches den jungen und unverheirateten
Frauen vorbehalten ist, für mich zur Geduldsprobe, die ich entnervt nicht bestanden habe. Auch das Binden der stacheligen
Tannen, die harzen und somit kleben, fand ich nicht besonders attraktiv. In meiner feministischen Phase musste ich zudem
das Gesamtkonstrukt dieser Veranstaltung, die die Rollen klar in Männer- und Frauenarbeit unterteilt, heftig hinterfragen.
Leider konnten die anwesenden Damen meine einer Alice Schwarzer würdigen Rede über Emanzipation nicht recht folgen, und meine
Mutter komplimentierte mich hinaus und erteilte mir anschließend eine Predigt über gutes Benehmen.
Auf das Kränzen folgt gegen Mitte der Hochzeitswoche der
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