Die Wedding-Planerin
zunächst an einen schlechten Scherz, doch der Trauzeuge, der zu uns stieß,
bestätigte: «Sie sind weg.»
Die beiden stritten darüber, wer sie zuletzt gesehen oder in der Hand gehalten hatte, konnten sich aber nicht einigen. In
zehn Minuten würde die Kirche voller Gäste sein, das Brautpaar eintreten, und bis dahin musste Ersatz her. Meine Ringe waren
zu |149| groß für die zierliche Braut, also wurden Brautmutter und Bräutigamvater kurzerhand ihrer eigenen Eheringe entledigt. Es
blieb vor der Zeremonie keine Zeit mehr, das Brautpaar zu informieren. Im entsprechenden Moment der Trauung stand der Trauzeuge
sichtlich nervös auf und überreichte dem Pfarrer das Tellerchen mit den Schmuckstücken. Der Geistliche reichte sie dem Bräutigam
weiter, die Trauzeugen atmeten hörbar ein, das Paar stutze kurz, sah sich an, und ich konnte ein leichtes Schulterzucken
des Bräutigams ausmachen, doch dann wechselten sie die Ringe ohne weitere Zwischenfälle.
Erst später konnten die Trauzeugen das Paar aufklären. Diese nahmen es gelassen, wahrscheinlich war einem von ihnen das Kästchen
mit den Ringen einfach aus der Tasche gefallen und würde sich schnell wiederfinden, vermuteten sie und feierten erst einmal
ihren gemeinsamen Tag. Zwei Tage später fanden sich die Ringe in ihrem Kasten in der Handtasche der Braut, sie hatte in der
Aufregung einfach vergessen, sie den Trauzeugen zu geben.
Lena sieht mich skeptisch an: «Gebe ich dir die Ringe? Oder lieber Karls Trauzeugen?»
«Ganz ehrlich, mir ist es lieber, wenn ich sie nicht habe. Ich bin viel zu nervös und werde viel zu viel anderen Kram bei
mir haben. Außerdem ist das ein Männer-Job», erkläre ich ihr und schreibe in meine Liste: Karls TZ Ringe geben.
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|150| Samstag, 1. März
Stimmung: verbissen
Sound: unsere hektischen Schritte auf dem Asphalt
Thema des Tages: Schon wieder shoppen!
Frauen, die gern einkaufen, sollten unbedingt heiraten. Sie werden Spaß daran haben, sich all die Dinge zu kaufen, die
man braucht. Zudem gibt es in der Phase vor der Feier nie ein Rechtfertigungsproblem, denn der Anlass erfordert nun mal viele
ausführliche Einkaufstouren. Alle anderen sollten sich das mit dem Heiraten nochmal überlegen, oder wenn es nicht anders
geht, sich in einen Zen-Zustand atmen und lernen, Kaufhäuser, Umkleiden und Verkäuferinnen zu ertragen.
Genau das versuche ich gerade: gelassen bleiben, während Lena und ich noch einige Kleinigkeiten einzukaufen haben. Schuhe,
Wäsche und die größte Aufgabe: etwas, das Lena im dünnen Brautkleid vor der frühlingshaft kühlen Brise schützt. Was genau
dieses Etwas sein könnte, wissen wir auch noch nicht so recht, hoffen dennoch, schnell fündig zu werden. Da ich nicht selbst
in Umkleidekabinen mit scheußlichem Licht stehen und mich für die passende Wäsche entscheiden muss, ist mein Leiden auch
wesentlich geringer zu bewerten als Lenas. Die tut mir richtig leid. Sie ist wirklich sehr tapfer und meckert fast gar nicht,
wenn ich sie dazu zwinge, die nächste Tour zu bewältigen.
Um mit dem Kleidungsthema endlich mal zum Abschluss zu kommen, erfüllen wir heute eine Mission: Wir werden alles kaufen,
was noch gebraucht wird. Heute. Klingt utopisch, ist es auch. Etwas Wahnsinn gehört allerdings dazu, wenn man heiratet,
und probieren kann man es ja mal. Wir sind beide angespannt, da wir |151| wissen, dass uns ein anstrengender Tag bevorsteht. Heute Abend werden wir nicht mehr laufen, denken oder reden und schon
gar keine Entscheidungen mehr treffen können. In der Hoffnung, möglichst wenig Zeit und Kraft zu verschwenden, habe ich
einen Plan ausgearbeitet, nein, keinen elektronischen in Form einer Tabelle, sondern dieses Mal einen realen. Gestern habe
ich mir eine exakte Route durch die Hamburger Innenstadt überlegt, sodass wir Wäsche- und Schuhläden in sinnvoller und zeitsparender
Reihenfolge ablaufen werden.
Meine Aufgabe heute ist klar definiert: Für einen Tag bin ich Personal-Assistant, Animateurin sowie beste Freundin in Personalunion.
Die Braut bei Laune halten, ihre Kondition stärken, ihre Motivation aufrechterhalten und, wenn gar nichts mehr geht, für
entspannte Pausen sorgen.
Wir starten im Kaufhaus mit unserer Suche nach der passenden Wäsche, die maßgeblich eine Funktion haben soll: unsichtbar
sein unter dem Brautkleid. Im Zweitjob darf sie gern noch für eine gute Figur sorgen. Dass diese Ansprüche nicht eben
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