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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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beispielsweide 10 000 Caprihosen vergeben zu müssen, kann es darum Erzeugnisse in äußerst geringen Stückzahlen produzieren und zunächst einmal beobachten, wie sich die anfänglichen paar hundert Stücke verkaufen lassen, bevor man die Produktion erhöht. Wenn ein Modell sich durchsetzt, kann Zara über Nacht die Produktion steigern. Und mit der Schlussphase der Produktion, in der die geschnittenen Stoffe zu Röcken, Kleidern und Anzügen gefertigt werden, betraut Zara ein eigenes Netzwerk von rund 300 kleinen Werkstätten in Galicia und im nördlichen Portugal. Auf diese Weise wahrt Zara die Vorzüge der traditionellen Fertigkeiten des selbstständigen Handwerks, ohne die Endkontrolle über seine Erzeugnisse aufgeben zu müssen; denn die kleinen Werkstätten verstehen sich mehr als Teilhaber denn als Zulieferer des Unternehmens.
     
    Es ist diese Flexibilität, die Zara von dem Kernproblem aller Einzelhändler ausnimmt: Warenberge, die keiner haben will. Nun würde es in einem idealen Geschäft natürlich nie Waren geben, die nicht binnen eines Tages nach Anlieferung verkauft wären; demgemäß dürfte ein Lagerbestand eigentlich immer nur für einen Tag reichen. So weit ist Zara noch lange nicht. Für den Warenumschlag eines Zara-Ladens ist ein Monat erforderlich, das heißt: Sein Wareninventar summiert sich auf einen Monatsbestand. Im Vergleich zur übrigen Modeindustrie generell ist das bereits eine beachtliche Leistung. So schlägt der komplette Sortimentsbestand des Konkurrenten GAP sich etwa nur in einem Dreimonatszyklus um – mit der Folge: Wenn GAP die Bedürfnisse seiner Kunden auch nur einmal falsch einschätzt, sind die Läden mit preisreduzierten Waren voll gestopft. Geringe Lagerbestände bedeuten außerdem niedrige Preise; gängige Ware ist nämlich im Allgemeinen auch billiger. Mit anderen Worten: Zara kann seine Waren günstiger anbieten, weil ein höherer Bedarf für seine Artikel besteht. Und die erheblich höhere Warenumschlaggeschwindigkeit bewirkt ferner, dass bei den Kunden nie Langeweile aufkommt.
    Zara zeichnet sich also durch zweierlei aus. Erstens stellt es sich auf den steten Wandel der Kundenwünsche ein, indem es sich darum bemüht, dass kein Kunde den Laden betritt, ohne zu finden, was er sucht (beziehungsweise umgekehrt: ohne dort zu viel zu sehen, was er nicht haben will). Man könnte es auch so ausdrücken: Zara setzt alles daran, sein unternehmerisches Verhalten mit dem gegenwärtigen und künftigen Kundenverhalten zu koordinieren . Darin unterscheidet Zara sich nicht sonderlich von Brian Arthurs Computer-»Agenten«, die ihre Handlungen mit den Handlungen aller potenziellen Besucher der Bar El Farol zu koordinieren trachteten, oder selbst mit der Art und Weise, wie zwei Fußgänger ihre Bewegungen koordinieren, wenn sie einander auf einem engen Bürgersteig passieren. Die Fußgänger wollen einander natürlich ausweichen; Zara dagegen möchte seinen Kunden begegnen; die Herausforderung ist jedoch eine ähnliche.
    Zum anderen versteht Zara sich ausgezeichnet darauf, die Handlungen und Entscheidungen Zehntausender von Angestellten zu koordinieren, sodass sie ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit auf ein Ziel richten: Kleidung herzustellen und zu verkaufen, die die Leute kaufen möchten. Die Zara-Filiale in SoHo öffnet täglich um zehn Uhr vormittags. Trifft der Lieferwagen dienstags und samstags dort ein, so wird er prompt von jemandem abgefertigt. Wenn die Zara-Designer einen neuen Stil entwickelt haben, machen die Roboter sich sofort ans Schneiden der Stoffe. All diese Aktivitäten müssen genau aufeinander abgestimmt sein, damit so wenig Energie und Kraft verloren gehen wie nur eben möglich. Besonders gut koordinierte Unternehmen florieren; die anderen haben schwer zu kämpfen.
    Etwas ist hier aber nun besonders bemerkenswert: dass Zara nämlich das eigene Handeln mit dem all seiner Kunden zu koordinieren vermag, obwohl es über sie keine Macht oder Kontrolle hat. Die Koordination findet durch den freien Markt über den Preis statt. Wenn Zara hinreichend gute Produkte zu entsprechend vernünftigen Preisen anbietet, kommen Kunden in die Läden. Und Zara vermag sein Verhalten auch mit dem seiner Stofflieferanten zu koordinieren, obwohl es über sie ebenfalls keine Macht und Kontrolle hat. Die Koordination findet wiederum mittels des Marktes statt (in diesem Fall freilich unter dem Schutz von Verträgen). Warum muss Zara aber die Tätigkeit seiner Angestellten managementmäßig

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