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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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darüber hinausgehenden Meinungen jedoch waren nie gefragt; sie wurden niemals zu einem Gesamtbild der Situation kumuliert. Das war der für die Katastrophe entscheidende Fehler. Es war und bleibt ein fundamentaler Fehler – selbst wenn die Columbia von ihrer Weltraummission sicher heimgekehrt wäre.

ZEHNTES KAPITEL
    Das Unternehmen:
Ist der neue Boss wie der alte?

1
    Am Dienstag und Samstag jeder Woche fährt auf der East Side des New Yorker Broadway im Viertel SoHo ein großer Lieferwagen vor. Die Fracht, die bei seiner Entladung ans Tageslicht kommt, besteht jedoch nicht, wie zu erwarten wäre, aus Süßtomaten von New Jersey oder Zuckermais von Long Island. Es sind vielmehr regalweise zartfarbene Hemdkleider, eng geschnittene schwarze Röcke und elegante Damenjacken, die – von Weitem – direkt von einem Laufsteg der jüngsten Mailänder Modemesse zu kommen scheinen, in Wirklichkeit aber allesamt aus einer megagroßen Lagerhalle der Firma Zara in der Stadt La Coruña in der spanischen Provinz Galicia stammen. Und mit höchster Wahrscheinlichkeit sind all die hochmodischen Stücke nur drei Wochen vor ihrer Anlieferung in SoHo nicht mal ein Gedankenblitz im Kopf eines Designers gewesen.
    Anlieferungen zweimal wöchentlich mögen im Gemüsehandel üblich sein. Bei Textilien sind sie dagegen völlig ungewöhnlich. Es ist das besondere Dilemma der Modebranche, dass ein enormer Zeitabstand zwischen den ersten Skizzen eines Rockes im neuesten Chic und seinem Eintreffen im Laden liegt – mit der Konsequenz, dass die Einzelhändler nicht auf aktuelle Kundenwünsche reagieren können, sondern versuchen müssen zu erraten, was ihre Kunden in sechs oder neun Monaten vielleicht wünschen werden . Marktprognosen sind schon schwierig genug, was den Verkauf von Fernsehern oder Abspielgeräten für DVDs angeht. Bei einer so kurzlebigen Ware wie Modekleidung ist es nahezu unmöglich – weswegen selbst erfolgreiche Textilhersteller oft auf Bergen unverkaufter Stücke sitzen bleiben, die sie dann preislich reduzieren oder als Ramsch loswerden müssen – was Schnäppchenjäger frohlocken lässt, für die Unternehmen jedoch ein ziemliches Unglück bedeutet.
    Dieses ineffiziente Geschäftsmodell ersetzte das Unternehmen Zara durch etwas völlig Neues. Statt pro Saison einmal neue Erzeugnisse anzubieten, beliefert Zara seine 600 Läden in aller Welt zweimal wöchentlich. Statt jährlich 200 oder 300 neue Modelle herzustellen, bringt Zara pro Jahr mehr als 20 000 Novitäten heraus. Lagerüberbestände gibt es keine. »Ladenhüter« werden häufig binnen Wochenfrist aus den Regalen entfernt, sodass Zara keinerlei Preisreduzierungen vornehmen und auch nicht ramschen muss. Jeder Filialleiter eines Zara-Geschäfts ist mit einem Handy ausgestattet, das ihn direkt mit den Designstudios des Unternehmens in Spanien verbindet: damit er täglich berichten kann, was seine Kunden kaufen, was sie verschmähen und was sie gern kaufen würden, ohne es in seinem Laden zu finden. Der letztlich entscheidende Vorzug aber besteht in Folgendem: Dieses Unternehmen benötigt lediglich zehn bis fünfzehn Tage vom Entwurf – der gewiss oft vom letzten heißen Schrei anderer Modehäuser abgekupfert ist – bis zum Angebot des Kleidungsstücks im Laden. Was bedeutet: Wenn irgendetwas sich als neuester modischer Schrei durchsetzt, gibt es davon wahrscheinlich schon eine erschwingliche Variante in den Zara-Geschäften. Diese Kombination von Schnellreaktion, modisch aktuellem Design und Preisvorteil macht Zara »zum vermutlich innovativsten und [in seiner Auswirkung auf Modehäuser] verheerendsten Einzelhändler der Welt«, so Daniel Piette, der Modechef des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH.
    So ungemein schnell vermag Zara nur deshalb zu reagieren, weil das Unternehmen sich dementsprechend strukturierte. Wie die meisten Modeeinzelhändler bezieht Zara 90 Prozent seiner Stoffmaterialien aus dem Ausland – mit einem entscheidenden Unterschied: Die Konkurrenz lässt ihre Erzeugnisse in der Regel von Zulieferfirmen in Asien oder Südamerika produzieren. Zara dagegen verarbeitet die aus dem Ausland bezogenen Rohmaterialien selbst. Dazu betreibt das Unternehmen 14 hochautomatisierte Fabriken in Spanien. Dort arbeiten Roboter rund um die Uhr, um die noch unbearbeiteten Stoffe zu prägen, zu schneiden und zu färben. Auf diese Weise sichert Zara sich die Kontrolle über die gesamte weitere Fertigung. Statt einen festen Auftrag zur Herstellung von

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