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Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds

Titel: Die Weisheit der Vielen - Surowiecki, J: Weisheit der Vielen - The Wisdom of Crowds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Surowiecki
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auf die im Wettbewerb mit den Japanern nun erforderlichen Veränderungen im Organisatorischen wie im Warensortiment einzugehen. Ja, die US-Unternehmen waren so lange ohne eine echte Konkurrenz gewesen, dass es eine Weile dauerte, bis sie überhaupt begriffen, was es heißt, sich in einem Wettbewerb behaupten zu müssen. Das urtypische amerikanische Produkt der siebziger Jahre war der 1971 vorgestellte Ford Pinto – ein hässliches, untermotorisiertes Auto, das bei heftigen Auffahrunfällen gelegentlich explodierte. Es scheint fast ein Wunder, dass Ford von diesem Modell in den Siebzigern eine Million Exemplare verkaufen konnte – das war freilich auch ein Abgesang. Im Laufe dieses Jahrzehnts gerieten Gewinne, Marktanteile und Produktivitätssteigerungen in einen freien Fall: Ende des Jahrzehnts stürzten, um nur zwei markante Beispiele zu nennen, Chrysler und Lockheed dermaßen ab, dass ihr Bestand nur durch Regierungsbürgschaften gesichert wurde; und Ford schien bereits der nächste Kandidat für solche Notmaßnahmen zu sein. Die herausragende Stellung amerikanischen Unternehmertums war zum Mythos, die USA waren zu einem Land geworden, das sich »selbst in den wirtschaftlichen Niedergang manövrierte«.

4
    Auf die Folgen der Selbstzerstörung des alten amerikanischen Unternehmensmodells in den siebziger Jahren reagierten die großen US-Firmen – das steht außer Zweifel – ausgesprochen positiv. Sie strukturierten sich neu. Ab den achtziger Jahren unterzogen sie sich einem Verschlankungsprozess und wurden wesentlich effizienter. Eine kritische Beschäftigung mit dem alten Unternehmensmodell und seinem Verfall lohnt freilich noch immer, denn seine Grundideen – dass eine weitgehende Integration sämtlicher Fertigungsprozesse, eine hierarchische Organisation und eine Konzentration der Entscheidungsbefugnisse auf wenige Köpfe Erfolgsfaktoren darstellen – blieben für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten maßgebliche Faktoren. So führten zwar die Erfolgsgeschichten von IT-Unternehmen im kalifornischen Silicon Valley, die im Allgemeinen dezentralisierter aufgebaut sind, dazu, dass alle Firmen zumindest um den Eindruck einer Umlagerung von Entscheidungsbefugnissen nach unten bemüht sind. Es ist allerdings mehr Schein als Sein, wenngleich die erheblichen Fortschritte in der Kommunikationstechnologie die Verbreitung von Informationen an größere Gruppen von Angestellten erleichtert und kostengünstiger gestaltet haben.
    Auch der Informationsfluss von unten an die Firmenspitze hat sich allem Anschein nach nicht wesentlich verbessert. Um etwas eigentlich ganz Selbstverständliches auszusprechen: Wenn Menschen nicht die Wahrheit erfahren, werden sie kaum die richtigen Entscheidungen treffen können. Und das bedeutet: Es müssen Ehrlichkeit und Offenheit herrschen, was den Stand der Dinge betrifft. Das bedeutet auch: Es muss offen und ehrlich ausgesprochen werden, wenn die Dinge nicht wie geplant vorankommen. Und das heißt wiederum: Die Unternehmenserwartungen müssen ehrlich und realistisch sein. Solch eine ehrliche Informationsteilhabe findet offenbar leider nur selten statt. Der Organisationstheoretiker Chris Argyris, der sich seit vier Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigt, kommt zu dem Schluss, dass in dieser Hinsicht in den meisten Unternehmen ein »unglaubwürdiges Verhalten« die Norm ist. Laut Argyris steht dem Austausch echter Information eine tief verwurzelte Furcht der Chefs vor einem Konflikt mit Untergebenen im Wege. Der autoritäre Entscheidungsstil hat insbesondere eine negative Konsequenz: Er verleiht den Entscheidungsträgern einen Schein der Vollkommenheit, der die anderen zu einer unterwürfigen Haltung verleitet – was sich Argyris zufolge umso schädlicher auswirkt, als Menschen in einer Organisation ohnehin dazu neigen, Konflikte und potenziellen Ärger zu umgehen. In diesem Licht scheint es bemerkenswert, dass in einem autokratisch geführten Unternehmen überhaupt wahre Informationen zum Vorschein kommen.
    Dieses Problem wird noch dadurch verfestigt, dass Manager häufig nicht nach wirklicher Leistung, sondern im Verhältnis von Leistung zum Plansoll bezahlt werden. So bieten zum Beispiel viele Bonussysteme leitenden Angestellten für den Fall, dass sie ein vorgegebenes Ziel noch übertreffen, ein völlig unangemessenes Entgelt – mit dem Hintergedanken, Manager zur Verwirklichung schier unerreichbarer Ziele anzustacheln. Was dabei dann herauskommt, sind Täuschung und Irreführung

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