Die Weisheit des Feuers
versuchen.
Aber nicht mit Menschen,
sah Eragon sich genötigt hinzuzufügen.
Versuch es stattdessen mit einem Schaf.
Menschen, Schafe: Welchen Unterschied macht das schon für einen Drachen?
Dann stieß sie tief aus ihrer Kehle ein polterndes Lachen aus, das Eragon an Donner erinnerte.
Er beugte sich vor, um sein Gewicht von Saphiras scharfkantigen Schuppen zu nehmen, und griff nach dem Rotdornstab, der neben ihm auf dem Boden lag. Er rollte ihn zwischen den Handflächen und bewunderte das Spiel des Lichts auf dem polierten Wurzelknauf und der am Stabende aufgesetzten, stark zerkratzten Eisenspitze.
Roran hatte ihm den Stab in die Hand gedrückt, bevor sie die Varden auf den Brennenden Steppen verlassen hatten, und gesagt: »Hier! Den hat Fisk mir gemacht, nachdem der Ra’zac mir in die Schulter gebissen hatte. Ich weiß, du hast dein Schwert verloren, und ich dachte, du könntest ihn brauchen... Falls du dir ein neues Schwert zulegen willst, ist das auch in Ordnung. Aber ich habe festgestellt, dass es kaum einen Kampf gibt, den man nicht mit einem guten Stock gewinnen kann.« Da auch Brom immer einen Stab getragen hatte, beschloss Eragon, den Rotdornstab einem neuen Schwert vorzuziehen. Er spürte ohnehin kein Bedürfnis, sich mit einer Klinge zu begnügen, die weniger machtvoll war als Zar’roc. In dieser Nacht hatte er den Stab und den Stiel von Rorans Hammer mit verschiedenen Schutzzaubern belegt, damit beide nicht mehr brechen konnten, außer unter extremster Belastung.
Eragon wurde von einer Reihe ungebetener Erinnerungen überwältigt:
Ein düsterer orangeroter Himmel rauschte an ihm vorbei, als Saphira bei der Verfolgung des roten Drachen und seines Reiters in die Tiefe hinabstieß. Der Wind heulte ihm in den Ohren
...
Seine Finger wurden taub durch die Wucht, mit der die Schwerter aufeinanderprallten, als er am Boden gegen jenen Drachenreiter kämpfte... Mitten im Duell riss er seinem Gegner den Helm vom Kopf und erkannte, dass er seinem tot geglaubten einstigen Freund und Reisegefährten Murtagh gegenüberstand... Murtaghs höhnischer Blick, als er Zar’roc an sich nahm und erklärte, als Eragons älterer Bruder der rechtmäßige Erbe der roten Klinge zu sein
...
Eragon blinzelte verwirrt, als das Schlachtengetöse verklang und der Geruch des Blutes dem angenehmen Duft des Wacholderholzes wich. Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, um den bitteren Geschmack nach Galle loszuwerden.
Murtagh.
Allein der Name weckte in Eragon eine Unzahl widerstreitender Gefühle. Einerseits
mochte
er ihn. Murtagh hatte ihn und Saphira nach ihrem ersten unseligen Besuch in Dras-Leona vor den Ra’zac gerettet. Murtagh hatte sein Leben riskiert, um ihn - Eragon - aus Gil’ead herauszuholen. Er hatte sich bei der Schlacht um Farthen Dûr mehr als ehrenhaft geschlagen. Und trotz der schweren Strafe, die ihn dafür ohne Zweifel erwartete, hatte er Galbatorix’ Befehle in einer Weise interpretiert, die es ihm erlaubte, Eragon und Saphira nach der Schlacht auf den Brennenden Steppen ziehen zu lassen. Es war nicht Murtaghs Schuld, dass die Zwillinge ihn entführt hatten, dass der rote Drache Dorn für ihn geschlüpft war oder Galbatorix ihre wahren Namen herausgefunden und Murtagh und Dorn damit einen Treueschwur in der alten Sprache abgerungen hatte.
An nichts von alledem traf Murtagh eine Schuld. Er war ein Opfer des Schicksals, war es seit dem Tag seiner Geburt gewesen.
Und dennoch... Murtagh mochte Galbatorix gegen seinen Willen dienen, und er mochte die Gräueltaten verabscheuen, die zu begehen der König ihn zwang. Aber ein Teil von ihm schien an der neuen Macht Gefallen zu finden. Bei der Schlacht auf den Brennenden Steppen zwischen den Varden und dem Imperium hatte Murtagh sich den Zwergenkönig Hrothgar herausgegriffen und ihn aus der Ferne mittels Magie umgebracht, ohne dass Galbatorix ihm den Befehl dazu erteilt hätte. Er hatte Eragon und Saphira gehen lassen, aber erst nachdem er sie in einem brutalen Kräftemessen besiegt und Eragon ihn anschließend angefleht hatte, ihnen die Freiheit zu schenken.
Und Murtagh hatte sich sichtlich an Eragons Qualen ergötzt, als er ihm offenbarte, dass sie beide Söhne Morzans waren - des ersten und letzten der dreizehn Drachenreiter, der Abtrünnigen, die ihre Gefährten an Galbatorix verraten hatten.
Heute, vier Tage nach der Schlacht, fiel Eragon eine weitere mögliche Erklärung für Murtaghs Verhalten ein:
Vielleicht war es für ihn eine
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