Die Weisheit des Feuers
sind, die von dir ausgehende Gefahr anzuerkennen und zu hoffen, dass du zu den wenigen gehörst, die den Verlockungen der Macht widerstehen.«
Orrin verschränkte die Hände unter dem Kinn und blickte auf eine Stofffalte seines Gewandes. »Ich habe mehr gesagt, als ich wollte... Nun, aus all diesen Gründen und noch anderen bin ich Nasuadas Meinung. Es war richtig, zu bleiben, nachdem du Sloan entdeckt hattest. Und so lästig diese Episode auch gewesen sein mag, es wäre viel schlimmer gewesen, auch für dich selbst, wenn du ihn um deiner persönlichen Rache willen getötet hättest.«
Nasuada nickte. »Weise gesprochen.«
Arya hörte mit unergründlicher Miene zu. Was immer sie dachte, sie offenbarte es nicht.
Orrin und Nasuada stellten Eragon zahllose Fragen über die verschiedenen Zauber, mit denen er Sloan belegt hatte, und wollten ganz genau wissen, was sich während der restlichen Reise zugetragen hatte. Das Ganze zog sich so lange hin, dass Nasuada ein Tablett mit Apfelwein, Früchten und Fleischpastete bringen ließ, zusammen mit einer Ochsenkeule für Saphira. Zwischen den Fragen hatten sie und der König genug Zeit, zu essen. Eragon hingegen war so mit Erzählen beschäftigt, dass er nur zweimal schnell in einen Apfel beißen und einen Schluck Wein trinken konnte, um sich die Kehle zu befeuchten.
Schließlich verabschiedete sich König Orrin, um bei seiner Kavallerie nach dem Rechten zu sehen. Kurz darauf ging auch Arya. Sie erklärte, sie müsse Königin Islanzadi Bericht erstatten und wolle sich in einen Waschzuber mit heißem Wasser setzen, um den Sand von der Haut zu schrubben und ihr Aussehen wieder zurückzuverwandeln: »Ich bin nicht ich selbst ohne meine Spitzohren und schräg stehenden Augen. Jeder Knochen in meinem Gesicht sitzt an der falschen Stelle.«
Als Nasuada mit Eragon und Saphira alleine war, lehnte sie sich zurück und seufzte. Eragon war erstaunt, wie erschöpft sie mit einem Mal wirkte. Ihre Lebendigkeit und kraftvolle Ausstrahlung von eben waren verschwunden. Ihm wurde klar, dass sie sich stärker gegeben hatte, als sie im Moment war, da sie fürchtete, Feinde anzulocken und die Varden zu demoralisieren, sollte ihre Schwäche offenbar werden.
»Bist du krank?«, fragte er.
Sie deutete mit dem Kopf in Richtung ihrer verbundenen Unterarme. »Nein, das nicht. Ich brauche nur länger als erwartet, um wieder zu Kräften zu kommen.«
»Wenn du willst, kann ich...«
»Nein. Vielen Dank, aber das möchte ich nicht. Verleite mich nicht dazu. Eine der Regeln bei der Probe der Langen Messer lautet, dass man die Wunden auf natürliche Weise verheilen lassen muss, ohne Magie. Anderenfalls würden die Teilnehmer ja nicht im vollen Umfang den Schmerz der Schnitte ertragen.«
»Das ist barbarisch!«
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Vielleicht, aber so ist es nun mal. Und ich möchte die Probe jetzt nicht mehr verlieren, nur weil ich ein bisschen Schmerz nicht ertragen kann.«
»Was, wenn die Wunden sich entzünden und eitern?«
»Dann eitern sie eben und ich werde für meine Fehler büßen. Aber ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Angela kümmert sich um mich, und sie verfügt über einen erstaunlichen Wissensschatz, was Heilpflanzen betrifft. Ich glaube fast, sie könnte einem die wahren Namen einer jeden Grassorte auf den östlichen Ebenen nennen, nur indem sie die Halme berührt.«
Saphira, die so still gewesen war, dass sie zu schlafen schien, gähnte jetzt ausgiebig, sodass sie mit dem Kiefer fast Boden und Zeltdecke berührte. Dann schüttelte sie Kopf und Hals und ließ dabei die Lichtpunkte, die ihre Schuppen warfen, durch das Zelt wirbeln.
Nasuada setzte sich auf. »Oh, es tut mir leid. Ich weiß, es war anstrengend. Ihr beiden wart sehr geduldig. Ich danke euch.«
Eragon kniete nieder und legte die rechte Hand auf ihre. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen, Nasuada. Ich kenne meine Pflichten. Ich habe es nie angestrebt zu herrschen - das ist nicht mein Schicksal. Und sollte sich mir jemals die Gelegenheit bieten, einen Thron zu besteigen, dann werde ich ablehnen und veranlassen, dass das Amt an jemanden geht, der sich besser zum Volksherrscher eignet.«
»Du bist ein guter Mensch, Eragon«, murmelte Nasuada und drückte seine Hand. Sie lachte. »Weißt du, seitdem ich dich, Roran und Murtagh kenne, scheine ich einen Großteil meiner Zeit damit zuzubringen, mir über Mitglieder deiner Familie Gedanken zu machen.«
Ihre Worte versetzten Eragon einen Stich.
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