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Die Weisheit des Feuers

Die Weisheit des Feuers

Titel: Die Weisheit des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Paolini
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spürte, wie Saphira ihre Energie in seine Richtung lenkte, ihn unterstützte und über ihn wachte, um eingreifen zu können, sobald er einen Fehler bei der Formel machte. Der Gegenzauber war lang und kompliziert, denn er sollte sich gegen jede mögliche Auswirkung seines Segens richten. So vergingen volle fünf Minuten, bevor Eragon den letzten Satz, das letzte Wort und dann die letzte Silbe sprach.
    In der darauf folgenden Stille verdüsterte sich Elvas Gesicht vor Enttäuschung. »Ich kann sie spüren«, sagte sie.
    Nasuada beugte sich zu ihr hinüber. »Wen?«
    »Dich, ihn, sie, jeden, der Kummer hat. Sie sind immer noch da! Das Bedürfnis, ihnen zu helfen, ist weg, aber die Schmerzen fließen durch mich hindurch wie eh und je.«
    Nasuada beugte sich weiter vor. »Eragon?«
    Er runzelte die Stirn. »Ich muss irgendwas vergessen haben. Gebt mir ein bisschen Zeit nachzudenken, dann stelle ich einen neuen Gegenzauber zusammen. Es gibt noch ein paar andere Möglichkeiten, aber...« Er verstummte. Es beunruhigte ihn, wie sich die Dinge entwickelten. Denn einen Zauber zu wirken, der gezielt ihren Schmerz abwehrte, wäre sogar noch schwieriger, als den Segen zu widerrufen. Ein falsches Wort, ein schlecht konstruierter Satz konnte ihr jedes Mitgefühl nehmen; konnte für immer ausschließen, dass sie lernte, mit anderen im Geist zu kommunizieren; oder konnte ihr Schmerzempfinden so weit herabsetzen, dass sie es nicht mehr merken würde, wenn sie sich verletzte.
    Eragon war mitten in einer Beratung mit Saphira, als Elva plötzlich sagte: »Nein!«
    Verblüfft sah er sie an.
    Ein ekstatisches Leuchten schien von ihrem Gesicht auszugehen. Ihre runden, perlenartigen Zähne glänzten, als sie lächelte, und ihre Augen strahlten vor Freude. »Nein, versuch es nicht noch mal.«
    »Aber Elva, warum -«
    »Weil ich nicht noch mehr Beschwörungen will, die an mir zehren. Und weil ich gerade gemerkt habe, dass 
ich sie ignorieren kann
!« Zitternd vor Aufregung krallten ihre Hände sich in die Armlehnen ihres Stuhls. »Ohne den Drang, jedem helfen zu müssen, dem es schlecht geht, kann ich ihr Leid ignorieren, ohne dass es mich krank macht. Ich kann den Mann mit dem amputierten Bein ignorieren und die Frau, die sich gerade die Finger verbrüht, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich kann sie zwar nicht völlig ausblenden, jedenfalls noch nicht, aber was für eine Wohltat! Endlich Ruhe. Gesegnete Ruhe! Keine Schnitte, Schrammen, Beulen und gebrochenen Knochen mehr. Kein Liebeskummer alberner junger Leute. Kein Zorn verlassener Ehefrauen oder gehörnter Männer. Nicht mehr die tausend grauenvollen Verstümmelungen eines ganzen Krieges. Und auch nicht mehr die Übelkeit erregende Panik, die vor der endgültigen Finsternis kommt.« Tränen liefen ihr die Wangen hinab und aus ihrer Kehle drang ein heiseres Lachen, das Eragons Kopfhaut kribbeln ließ.
    Das ist doch verrückt,
 sagte Saphira. 
Auch wenn du das alles ausblenden kannst, warum willst du an den Schmerz anderer gefesselt bleiben, wenn Eragon dich vielleicht davon befreien kann?
    Elvas Augen funkelten trotzig. »Ich werde sowieso nie normal sein. Und wenn ich schon anders sein muss, dann lasst mich behalten, was mich besonders macht: meine Gabe. Solange ich sie kontrollieren kann, werde ich diese Bürde tragen, weil es mein freier Wille ist - nicht weil deine Magie mich dazu zwingt, Eragon. Ha! Ab sofort bin ich nichts und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Ich helfe, wem ich will. Wenn ich den Varden diene, dann weil es mein Gewissen verlangt, nicht weil du mich darum bittest, Nasuada, oder weil ich mich sonst übergeben muss. Ich werde nur noch tun, was ich will. Und wehe denen, die sich mir in den Weg stellen, denn ich kenne all ihre Ängste und werde nicht zögern, mit ihnen zu spielen, um meinen Willen durchzusetzen.«
    »Elva!«, rief Greta erschrocken. »Sag nicht so schreckliche Dinge! Das kann nicht dein Ernst sein.«
    Das Mädchen drehte so abrupt den Kopf, dass seine Haare flogen. »Dich hab ich ja ganz vergessen, mein emsiges Kindermädchen. Immer gewissenhaft. Immer besorgt. Ich bin dir dankbar, dass du mich adoptiert und seit Farthen Dûr für mich gesorgt hast, nachdem meine Mutter gestorben war. Aber jetzt brauche ich dich nicht mehr. Ich werde in Zukunft allein leben und für mich selbst sorgen und niemandem mehr verpflichtet sein.«
    Die alte Frau presste den Saum ihres Ärmels gegen den Mund und sank verängstigt in sich zusammen.
    Elvas Worte

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