Die Weisheit des Feuers
Glaskugel war, wie Orik Eragon erklärt hatte, eine größere Version der flammenlosen Laternen der Zwerge, und bei gebührenden Anlässen oder im Notfall konnte man damit das gesamte Tal in goldenes Licht tauchen. Die Zwerge nannten die Kugel Az Sindriznarrvel, das Juwel von Sindri.
Rings um die Festung drängten sich zahlreiche Nebengebäude, Wohnquartiere für die Diener und Krieger des Dûrgrimst Ingietum, Ställe, Schmieden und eine Kirche, die Morgothal gewidmet war, dem Zwergengott des Feuers und dem Schutzpatron aller Schmiede. Weiter unterhalb der hohen, glatten Festungsmauern standen auf den Waldlichtungen Dutzende Bauernhöfe mit Steinhäusern, aus denen graue Rauchfahnen aufstiegen.
All das und noch vieles mehr hatte Orik ihm gezeigt und erklärt, nachdem die Zwergenkinder den Drachenreiter unter lauten »Argetlam!«-Rufen in den Innenhof der Festung geleitet hatten. Orik hatte Eragon wie einen Bruder empfangen und ihn zu den Bädern geführt. Nachdem der Neuankömmling sich gewaschen hatte, ließ der Zwerg ihm ein purpurnes Gewand und einen goldenen Stirnreif bringen.
Anschließend überraschte Orik Eragon, indem er ihm Hvedra vorstellte, eine helläugige, apfelgesichtige Zwergenfrau mit langem Haar, und voller Stolz verkündete, dass sie nun seit zwei Tagen miteinander verheiratet waren. Während Eragon sein Erstaunen zum Ausdruck brachte und ihnen gratulierte, trat Orik von einem Fuß auf den anderen und entgegnete dann: »Es schmerzt mich, dass du der Zeremonie nicht beiwohnen konntest, Eragon. Ich ließ einen unserer Magier Kontakt zu Nasuada aufnehmen und bat sie, dir und Saphira meine Einladung zu überbringen, aber sie schlug es mir ab. Sie fürchtete, es könnte dich von deinen Aufgaben abhalten. Ich kann es ihr nicht verübeln, aber ich wünschte, der Krieg hätte es dir erlaubt, bei unserer Vermählung anwesend zu sein, so wie wir gerne zur Hochzeit deines Cousins angereist wären, denn wir sind jetzt alle miteinander verwandt, wenn schon nicht durch Blut, dann doch durch das Gesetz.«
In ihrem breiten Akzent sagte Hvedra: »Betrachte mich bitte als deine Schwägerin, Schattentöter. Solange es in meiner Macht steht, wird man dich in Bregan stets wie ein Mitglied unserer Familie behandeln und dir Zuflucht gewähren, selbst wenn Galbatorix persönlich hinter dir her ist.«
Gerührt verbeugte sich Eragon. »Das ist sehr freundlich von dir.« Er machte eine Pause. »Wenn du mir die Frage erlaubst, warum habt ihr gerade jetzt geheiratet?«
»Wir wollten uns eigentlich erst im Frühjahr vermählen, aber...«
»Aber«, unterbrach Orik sie in seiner schroffen Art, »die Urgals griffen Farthen Dûr an und danach musste ich auf Hrothgars Geheiß mit dir nach Ellesméra. Als der Clan mich dann nach meiner Rückkehr zum neuen Grimstborith ernannte, hielten wir es für den perfekten Zeitpunkt, in den Stand der Ehe zu treten. Keiner von uns weiß, ob er das Jahr überleben wird, warum also länger warten?«
»So bist du wirklich Oberhaupt eures Clans geworden«, sagte Eragon.
»Ja. Eine Woche lang haben sie hin und her überlegt, aber am Ende fassten sie den fast einstimmigen Beschluss, dass ich Hrothgars Nachfolge als Grimstborith des Dûrgrimst Ingietum antreten sollte, da ich sein einziger rechtmäßiger Erbe bin.«
Nun saß Eragon neben Orik und Hvedra, aß Brot und Hammelfleisch, das die Zwerge ihm serviert hatten, und beobachtete den Wettstreit, der vor den Zuschauertribünen ausgetragen wurde. Orik hatte ihm erklärt, dass es für eine Zwergenfamilie, die das nötige Gold besitze, Sitte sei, zur Unterhaltung ihrer Hochzeitsgäste Wettkämpfe zu veranstalten. Hrothgars Familie war so reich, dass die Spiele nun schon drei Tage andauerten und sich noch vier weitere Tage hinziehen würden. Sie setzten sich aus den verschiedensten Disziplinen zusammen: Ringen, Bogenschießen, Schwertkampf, unterschiedlichen Kraftproben und der gerade stattfindenden, dem Ghastgar.
Von den gegenüberliegenden Seiten eines Grasfelds ritten zwei Zwerge, die auf weißen Feldûnost saßen, aufeinander zu. Die gehörnten Bergziegen flogen förmlich über das Gras, jeder ihrer Hüpfer trug sie mehr als siebzig Fuß weit. Der von rechts kommende Zwerg trug einen kleinen Rundschild am linken Arm, hatte aber keine Waffe. Sein Gegner hatte einen Speer, dafür aber keinen Schild.
Eragon hielt den Atem an, während die Feldûnost aufeinander zusprangen. Als sie nur noch dreißig Fuß voneinander entfernt waren, holte der
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