Die Weisheit des Feuers
klar wurde, dass er nicht entkommen konnte, zügelte er sein Pferd, wirbelte herum und schlug mit einem Säbel nach Roran. Der riss den Hammer hoch und konnte die messerscharfe Klinge gerade noch abwehren. Er konterte augenblicklich mit einem kreisenden Überkopfschlag, aber der Soldat parierte ihn und hieb zweimal nach Rorans Armen und Beinen. Der fluchte innerlich. Offensichtlich hatte sein Gegner mehr Erfahrung im Schwertkampf als er. Wenn er diese Auseinandersetzung nicht in den nächsten Sekunden gewann, würde der Soldat ihn umbringen.
Der Mann musste seinen Vorteil geahnt haben, denn er verstärkte die Angriffe und zwang Schneefeuer zurückzuweichen. Eigentlich hätte er Roran mindestens dreimal treffen müssen, aber jedes Mal krümmte die Klinge sich im letzten Moment und verfehlte ihn, abgelenkt von einer unsichtbaren Kraft. Noch nie war Roran so dankbar für Eragons Schutzzauber gewesen.
Weil er keinen anderen Ausweg sah, versuchte er es mit dem Überraschungsmoment. Er reckte den Kopf vor und brüllte: »Buh!«, als würde er jemanden in einem dunklen Korridor erschrecken. Der Soldat zuckte zusammen. Roran beugte sich vor und ließ den Hammer auf das Knie des Mannes herabsausen. Der erbleichte vor Schmerz. Bevor er sich wieder verteidigen konnte, schlug Roran ihm ins Kreuz, und als der Soldat aufschrie und sich krümmte, beendete Roran sein Leiden mit einem wuchtigen Schlag auf den Kopf.
Keuchend saß er einen Moment lang da, dann nahm er die Zügel auf, trieb Schneefeuer an und ritt in leichtem Galopp zum Konvoi zurück. Sein Blick schoss umher, angezogen von jeder Bewegung, während er die Lage sondierte. Die meisten Soldaten waren tot, ebenso die Wagenlenker. Ganz vorne standen sich Carn und ein groß gewachsener Mann im langen Gewand gegenüber. Sie rührten sich nicht von der Stelle, nur ein gelegentliches Zucken ihrer Körper kündete vom unsichtbaren Kampf zwischen ihnen. Dann kippte Carns Widersacher nach vorne um und blieb reglos liegen.
In der Mitte des Konvois hatten fünf tollkühne Soldaten die Ochsengespanne dreier Wagen losgeschnitten und die Fuhrwerke zu einem Dreieck zusammengeschoben, von wo aus sie Martland Rotbart und zehn anderen Varden erfolgreich die Stirn boten. Vier der Soldaten stießen ihre Langspeere zwischen den Wagen hindurch, der fünfte schoss Pfeile auf die Rebellen, die gezwungen waren, sich hinter einem der anderen Fuhrwerke zu verschanzen. Der Bogenschütze hatte schon mehrere Varden verwundet; einige waren von ihren Pferden gefallen, andere hatten sich lange genug im Sattel halten können, um irgendwo in Deckung zu gehen.
Roran überlegte. Sie konnten es sich nicht leisten, ewig auf einer der Hauptstraßen des Imperiums auszuharren, um nach und nach die verschanzten Soldaten auszuheben. Die Zeit arbeitete gegen sie.
Die Soldaten schauten allesamt gen Westen, in die Richtung, aus der der Angriff erfolgt war. Außer Roran war keiner der Varden auf die andere Seite des Konvois gelangt. Sie ahnten also nicht, dass er sich in ihrem Rücken näherte.
Ihm kam eine Idee. Unter anderen Umständen hätte er sie als lächerlich und unpraktisch verworfen, so aber schien ihm der Plan die einzige Möglichkeit, die Belagerung ohne weitere Verzögerung zu beenden. An die Gefahren dachte er dabei nicht. In dem Moment, in dem die Kämpfe ausgebrochen waren, hatte er jede Angst vor Tod oder Verletzung abgelegt.
Roran trieb Schneefeuer an, bis er in vollem Galopp dahinjagte. Er legte die linke Hand vorne auf den Sattel, zog die Stiefel fast vollständig aus den Steigbügeln und spannte die Muskeln an. Als der Hengst nur noch fünfzig Fuß von dem Wagendreieck entfernt war, drückte er sich in die Höhe und stellte die Füße auf den Sattel, sodass er geduckt auf Schneefeuer stand. Es bedurfte all seines Geschicks und voller Konzentration, um das Gleichgewicht zu halten. Wie erwartet, wurde der Hengst langsamer und versuchte auszuweichen, als er sich der Wagenburg näherte.
Als Schneefeuer kurz vor dem Ziel scharf abdrehte, ließ Roran die Zügel los, sprang vom Rücken des Pferdes und hechtete über das nächststehende Fuhrwerk hinweg. Sein Magen spielte verrückt. Er sah noch das überraschte Gesicht des Bogenschützen, der sich in diesem Moment zu ihm umblickte, dann krachte er auch schon gegen den Mann und stürzte mit ihm zu Boden. Der Körper seines Widersachers fing seinen Aufprall ab. Er richtete sich auf, hob seinen Schild und rammte dem Mann die eisenverstärkte Kante ins
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