Die Weisheit des Feuers
ketten, um uns vor der Vernichtung zu retten. Natürlich ignorierten wir auch die Kämpfe, die unter uns tobten. Sie seien, so argumentierten wir, unsere Privatangelegenheit und gingen niemanden etwas an.«
Die Clan-Oberhäupter wurden unruhig. Auf einigen Gesichtern zeichneten sich Unzufriedenheit und Empörung ab, aber der Rest schien empfänglicher für seine kritischen Worte zu sein und lauschte ihnen nachdenklich.
»Während die Drachenreiter Alagaësia bewachten«, fuhr der Grimstborith fort, »erlebten wir die größte Blütezeit in den Annalen unseres Reiches. Uns ging es so gut wie nie zuvor, obwohl das nicht unser Verdienst war, sondern der der Drachenreiter. Als sie untergingen, schwand auch unser Wohlstand, und wieder hatten wir nichts damit zu tun, sondern die Reiter. Beides scheint mir einem Volk von unserem Rang nicht angemessen. Wir sind weder Vasallen, die wehrlos der Willkür fremder Herren ausgeliefert sind, noch sollte jemand, der kein Nachfahr von Odgar und Hlordis ist, unser Schicksal bestimmen.«
Das war eher nach dem Geschmack der Clan-Oberhäupter, die nickten und lächelten. Selbst Havard klatschte nach dem letzten Satz Beifall.
»Betrachtet jetzt die gegenwärtige Epoche«, fuhr Orik fort. »Galbatorix herrscht, und alle Völker ringen darum, ihm nicht unterworfen zu werden. Er ist so mächtig geworden, dass wir nur deshalb noch nicht seine Sklaven sind, weil er bis jetzt nicht mit seinem schwarzen Drachen losgeflogen ist, um uns direkt anzugreifen. Würde er das tun, wir fielen wie Schösslinge unter einer Lawine. Glücklicherweise scheint er darauf zu warten, dass wir uns den Weg zu den Toren seiner Zitadelle in Urû’baen freikämpfen.
Ich möchte euch an die Zeit erinnern, bevor Eragon und Saphira durchnässt und schmutzig auf unserer Schwelle auftauchten, verfolgt von einem Haufen heulender Kull. Wir hatten damals nur eine Hoffnung im Kampf gegen den Tyrannen, nämlich dass Saphira eines Tages für ihren auserwählten Reiter schlüpfen und dieser Unbekannte - gesetzt den Fall, wir hätten mehr Glück als alle Spieler zusammen, die je beim Würfeln gewonnen haben - Galbatorix stürzen würde. Hoffnung? Was sage ich! Es war nur die Hoffnung auf Hoffnung. Als Eragon auftauchte, waren viele von uns von ihm enttäuscht, mich eingeschlossen. ›Er ist ja nur ein Junge‹, sagten wir, und: ›Saphira hätte besser einen Elf erwählt‹. Aber siehe da! Eragon hat selbst unsere kühnsten Erwartungen übertroffen! Er tötete Durza und ermöglichte uns damit, unsere viel geliebte Stadt Tronjheim zu retten. Sein Drache Saphira hat versprochen, die Sternrose wieder in ihrer alten Pracht erblühen zu lassen. Während der Schlacht auf den Brennenden Steppen hat er Murtagh und Dorn vertrieben und uns damit den Sieg erringen lassen. Und seht! Er sieht aus wie ein Elf und durch ihre fremdartige Magie hat er auch ihre Schnelligkeit und Kraft gewonnen!«
Orik erhob einen Finger, um seine Worte zu unterstreichen. »Dazu kommt, dass König Hrothgar in seiner Weisheit etwas getan hat, was kein anderer König oder Grimstborith vor ihm je wagte. Er hat Eragon angeboten, ihn in den Dûrgrimst Ingietum aufzunehmen und ihn zu einem Mitglied seiner Familie zu machen. Eragon war durch nichts verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen. Im Gegenteil, er war sich sehr wohl bewusst, dass viele Familien des Ingietum dies ebenso missbilligten wie zahlreiche andere Knurlan. Trotzdem nahm Eragon Hrothgars Geschenk an, obwohl er bereits Nasuada die Treue gelobt hatte und obwohl er sehr genau wusste, dass es sein Leben erschweren würde. Wie Eragon mir selbst sagte, hat er den Hallenschwur auf das Steinherz geleistet, weil er sich allen Völkern Alagaësias gegenüber verpflichtet fühlt, vor allem unserem, das ihm und Saphira durch Hrothgar so viel Freundlichkeit erwiesen hat. Wir haben es Hrothgars Genialität zu verdanken, dass der letzte freie Drachenreiter von Alagaësia, unsere einzige Hoffnung im Kampf gegen Galbatorix, sich dazu entschieden hat, in allem ein Knurla zu werden außer im Blute. Seitdem hat Eragon sich nach bestem Wissen und Gewissen an unsere Gesetze und Traditionen gehalten und strebte stets danach, noch mehr über unsere Kultur zu erfahren, um seinem Schwur wahrhaftig gerecht zu werden. Als Hrothgar von dem Verräter Murtagh niedergestreckt wurde, hat Eragon mir bei allen Steinen von Alagaësia und als Angehöriger des Dûrgrimst Ingietum geschworen, seinen Tod zu rächen. Er hat mir den Respekt
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