Die Weisheit des Feuers
»jedenfalls teilweise. Ich weiß zwar nichts über die Aktivitäten der anderen Clans, aber einige Hundert Krieger, die durch die Dienstbotenhallen in Tronjheim geschlichen sind, gehören zum Dûrgrimst Ingietum. Das gebe ich offen zu.«
Es herrschte tiefstes Schweigen, das Íorûnn schließlich brach: »Und welche Erklärung bietest du uns für dieses kriegerische Verhalten, Orik, Thrifks Sohn?«
»Wie ich schon sagte, beste Íorûnn, meine Antwort muss notwendigerweise recht ausführlich ausfallen. Also wenn du, Gannel, noch andere Fragen hast, solltest du fortfahren.«
Gannel runzelte so heftig die Stirn, dass sich seine Brauen fast berührten. »Ich werde meine anderen Fragen einstweilen für mich behalten, denn sie alle beziehen sich auf jene, die ich der Versammlung bereits gestellt habe. Es scheint, als müssten wir deine Antworten abwarten, um mehr über dieses Thema zu erfahren. Da du allerdings bis zum Hals in dieser zweifelhaften Angelegenheit zu stecken scheinst, ist mir eine neue Frage in den Sinn gekommen, die ich direkt an dich richten will, Grimstborith Orik: Aus welchem Grund hast du die gestrige Clan-Versammlung verlassen? Ich warne dich, ich werde keine Ausflüchte dulden. Du hast bereits angedeutet, Kenntnis von diesen Vorfällen zu besitzen. Nun ist es an der Zeit, uns Rechenschaft abzulegen, Grimstborith Orik.«
Orik stand auf, als sich Gannel setzte. »Es soll mir ein Vergnügen sein«, meinte er.
Er senkte den Kopf, bis sein bärtiges Kinn fast auf der Brust ruhte, schwieg einen kurzen Moment, dann begann er, mit sonorer Stimme zu sprechen. Aber er eröffnete seine Rede nicht so, wie Eragon und wohl auch der Rest der Versammlung es erwartet hatten. Statt den Mordanschlag auf Eragon zu schildern und damit zu erklären, warum er das gestrige Treffen vorzeitig aufgelöst hatte, holte Orik weit aus, bis in die graue Frühzeit der Zwergengeschichte. Er erzählte, wie das Volk der Zwerge von den einst so fruchtbaren Feldern der Hadarac-Wüste ins Beor-Gebirge abgewandert war, wo es unzählige Meilen von Tunneln gegraben und seine großartigen Städte über und unter der Erdoberfläche errichtet hatte. Dabei waren die Zwerge nie müde geworden, untereinander Kriege zu führen, genau wie gegen die Drachen, die sie Tausende von Jahren mit einer Mischung aus Hass, Furcht und widerwilliger Ehrfurcht betrachtet hatten.
Dann sprach Orik von der Ankunft der Elfen in Alagaësia, wie sie gegen die Drachen kämpften, bis sie sich gegenseitig fast ausgelöscht hatten, und die beiden Völker daher schließlich übereinkamen, die Drachenreiter zu schaffen, um mit ihnen den Frieden bis in alle Ewigkeit zu wahren.
»Und wie haben wir reagiert, als wir von ihren Absichten erfuhren?« Oriks Stimme hallte laut durch den kreisrunden Saal. »Haben wir darum gebeten, ihrem Pakt beitreten zu dürfen? Strebten wir danach, Anteil zu haben an der Macht, die den Drachenreitern verliehen wurde? Mitnichten! Wir klammerten uns an unsere alten Sitten, an unseren alten Hass, und wiesen den bloßen Gedanken an ein Bündnis mit den Drachen weit von uns, wie wir auch keinem Außenstehenden erlauben wollten, uns zu überwachen. Um unsere Selbstbestimmung zu wahren, opferten wir unsere Zukunft, denn ich bin überzeugt, dass Galbatorix niemals an die Macht gekommen wäre, hätte es Knurlan unter den Drachenreitern gegeben. In diesem Punkt mag ich mich irren, und ich will Eragons Verdienste auch nicht schmälern, der ein ausgezeichneter Reiter ist. Trotzdem hätte Saphira auch für einen von unserem Volk schlüpfen können, nicht nur für einen Menschen. Und welcher Ruhm hätte dann unser sein können?
Stattdessen hat unser Einfluss in Alagaësia ständig abgenommen, seit Königin Tarmunora und Eragons Namensvetter Frieden mit den Drachen geschlossen haben. Unser geringerer Status machte uns zunächst nicht so viel aus, und oft war es einfacher, die Lage der Dinge einfach zu leugnen, statt sie hinzunehmen. Dann jedoch kamen die Urgals, nach ihnen die Menschen, und die Elfen veränderten ihre Zauber so, dass auch Menschen Drachenreiter werden konnten. Und haben wir da versucht, in ihrem Bund aufgenommen zu werden, was durchaus möglich gewesen wäre... was uns rechtmäßig auch zugestanden hätte?« Orik schüttelte den Kopf. »Unser Stolz ließ es nicht zu. Warum sollten wir, das älteste Volk in diesem Land, die Elfen um ihre Magie anbetteln? Wir brauchten unser Schicksal nicht wie die Elfen und Menschen an das der Drachen zu
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