Die Weisheit des Feuers
Dorfkern zurück und scharten sich in einem unregelmäßigen Halbkreis um die Gefangenen.
Ja!,
triumphierte Roran innerlich, als die Soldaten den Varden den Rücken zukehrten. Laut Edrics Plan sollten sie genau auf eine solche Gelegenheit warten. In Erwartung des Befehls zum Angriff richtete Roran sich gespannt in seinem Sattel auf. Er versuchte zu schlucken, aber seine Kehle war wie ausgedörrt.
Der Anführer der Soldaten, der einzige zu Pferde, stieg ab und wechselte einige Worte mit dem weißhaarigen Gefangenen, die Roran aus der Entfernung nicht hören konnte. Plötzlich zog der Soldat ohne Vorwarnung den Säbel und enthauptete den Mann. Im nächsten Moment sprang er zurück, um nicht vom Blut bespritzt zu werden. Die junge Frau schrie noch lauter als zuvor.
»Angriff«, befahl Edric.
Roran brauchte einen Herzschlag, um zu begreifen, dass dieses von Edric so ruhig ausgesprochene Wort der Befehl war, auf den er gewartet hatte.
»Angriff!«, brüllte Sand auf der anderen Seite des Hauptmanns und brach mit seinen Männern zwischen den Buchen hervor.
»Angriff!«, schrie jetzt auch Roran und presste Schneefeuer die Fersen in die Flanken. Er duckte sich zum Schutz vor den Zweigen hinter seinen Schild, dann ließ er ihn sinken, als sie unter trommelnden Hufschlägen den unbestandenen Hügel hinuntergaloppierten. Roran wollte unbedingt die Frau und den Jungen retten und trieb Schneefeuer weiter an. Mit einem Blick zurück stellte er zufrieden fest, dass seine Abteilung sich ohne Schwierigkeiten von den anderen Varden hatte lösen können und seine Männer ihm bis auf ein paar Nachzügler in kaum fünf Pferdelängen Abstand folgten. Unter der Vorhut von Edrics Trupp entdeckte Roran Carns wehenden grauen Umhang und wünschte sich erneut, der Hauptmann hätte sie zusammen reiten lassen.
Den Anweisungen entsprechend, ritt Roran nicht direkt ins Dorf, sondern schwenkte nach links um die Gebäude herum, um die Flanke der Soldaten anzugreifen. Sand tat dasselbe auf der rechten Seite, während Edric und die restlichen Varden von vorn hineinstürmten.
Eine Häuserreihe dämpfte das Waffengeklirr vor ihm, als die Hauptmacht auf den Feind traf, aber Roran hörte wüstes Gebrüll, dann ein merkwürdiges metallisches Sirren und schließlich die Schreie von Männern und Pferden.
Seine Eingeweide brannten vor Sorge.
Was bedeutet dieser Lärm? Sind das Armbrüste aus Metall? Gibt es solche Waffen?
Doch ganz gleich, welchen Grund das gequälte Wiehern der Pferde auch hatte, Roran überlief es eiskalt. Mit schrecklicher Gewissheit erkannte er, dass der Angriff fehlgeschlagen sein musste und die Schlacht vielleicht schon verloren war.
Als sie das letzte Haus passiert hatten, trieb er Schneefeuer in vollem Galopp zum Dorfplatz. Seine Männer folgten ihm. In etwa zweihundert Schritt Entfernung versperrte ihnen zwischen zwei Häusern eine dreifache Phalanx aus Soldaten den Weg. Sie schienen keine Angst vor den Pferden zu haben, die auf sie zudonnerten.
Roran zögerte. Seine Befehle waren eindeutig: Er und seine Männer sollten die westliche Flanke angreifen und sich durch Galbatorix’ Truppen bis zu Sand und Edric vorkämpfen. Nur hatte der Hauptmann Roran nicht gesagt, was er tun sollte, falls sich herausstellte, dass es keine gute Idee war, einfach auf die Soldaten zuzureiten. Roran wusste, wenn er gegen seine Anweisungen verstieß, und sei es auch nur, um seine Männer vor einem Massaker zu bewahren, würde das eine Befehlsverweigerung bedeuten und von Edric entsprechend bestraft werden.
Da schlugen die Soldaten ihre weiten Umhänge zurück und hoben gespannte Armbrüste an ihre Schultern.
In diesem Augenblick entschied Roran, alles Menschenmögliche zu tun, damit die Varden diese Schlacht gewannen. Er würde nicht zulassen, dass die Soldaten seinen Trupp mit einer einzigen Armbrustsalve niederstreckten, nur um dem Zorn seines Hauptmanns über eine etwaige Befehlsverweigerung zu entgehen.
»Deckung!«, schrie er, riss die Zügel hart nach rechts und zwang Schneefeuer, hinter einer Hausecke Schutz zu suchen. Eine Sekunde später bohrte sich ein Dutzend Armbrustbolzen in das Gebäude. Roran fuhr im Sattel herum. Bis auf einen war es allen seinen Leuten gelungen, sich hinter Häuser zu flüchten, bevor die Soldaten ihre Salve abfeuerten. Der Varde, der zu langsam gewesen war, lag blutüberströmt im Dreck der Gasse. In seiner Brust steckten zwei Armbrustbolzen, die das Kettenhemd wie dünnes Tuch durchschlagen hatten.
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