Die Weisheit des Feuers
auf den Sattel und ritt mit den Leuten zu den Häusern zurück, von deren Dächern die Bogenschützen immer noch die Soldaten beschossen. Während Roran und seine Männer von Haus zu Haus hasteten, surrten Armbrustbolzen wie große, wütende Insekten an ihnen vorbei - einer bohrte sich sogar ein Stück durch Haralds Schild.
Sobald sie in Deckung gegangen waren, wies Roran alle Berittenen an, ihre Bogen und Köcher den Fußsoldaten zu geben, die er anschließend zu den anderen Bogenschützen auf die Dächer schickte. Während die Männer unverzüglich seinen Befehl ausführten, winkte er Carn zu sich, der von Schneefeuer gesprungen war, sobald sie angehalten hatten. »Ich brauche einen Zauberspruch. Kannst du mich und zehn weitere vor diesen Bolzen schützen?«
Carn zögerte. »Wie lange?«
»Eine Minute, eine Stunde? Wer weiß?«
»So viele Leute vor mehr als nur einer Handvoll Bolzen zu schützen, würde meine Kräfte übersteigen. Aber ich könnte die Bolzen ablenken, statt sie aufzuhalten, wenn dir das genügt...«
»Ausgezeichnet.«
»Wen genau soll ich schützen?«
Roran deutete auf die zehn Männer und Carn fragte sie nach ihren Namen. Mit eingezogenen Schultern stand er da und begann, Sätze in der alten Sprache zu murmeln. Er war bleich und sichtlich angespannt. Dreimal versuchte er, den Zauber zu wirken, und jedes Mal scheiterte er. »Es tut mir leid«, meinte er schließlich und atmete bebend aus. »Ich kann mich wohl einfach nicht konzentrieren.«
»Verdammt, spar dir deine Entschuldigung«, knurrte Roran. »Mach es einfach.« Er sprang aus dem Sattel, nahm Carns Kopf zwischen die Hände und hielt ihn fest. »Sieh mich an! Sieh mir direkt in die Augen. Genau so. Sieh mich an!... Gut. Und jetzt wirke den Schutzzauber!«
Carns Miene hellte sich auf, er lockerte die Schultern und sprach zuversichtlich die Beschwörung. Als er beim letzten Wort angekommen war, sackte er kurz in Rorans Griff zusammen. »Es ist vollbracht.«
Roran klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und stieg wieder auf sein Pferd. Dann ließ er den Blick über die zehn Reiter gleiten. »Bewacht meine Flanken und meinen Rücken, aber bleibt hinter mir, damit ich ungehindert meinen Hammer schwingen kann.«
»Jawohl!«
»Vergesst nicht, die Bolzen können euch jetzt nichts mehr anhaben. Carn, du bleibst hier. Beweg dich nicht zu viel, sondern spar dir deine Kräfte. Wenn du den Zauber nicht länger aufrechterhalten kannst, gib uns ein Zeichen, bevor du ihn löst. Einverstanden?«
Carn setzte sich auf die unterste Treppenstufe des Hauses und nickte. »Einverstanden.«
Roran packte Hammer und Schild fester und atmete mehrmals tief durch, um sich zu sammeln. »Wappnet euch«, sagte er und schnalzte mit der Zunge.
Gefolgt von den zehn Männern, ritt er mitten auf die lehmige Gasse zwischen den Häusern und stellte sich den Soldaten. Auf dem Dorfplatz hatten sich etwa fünfhundert von Galbatorix’ Männern zusammengeschart. Die meisten knieten oder kauerten hinter ihren Schilden, während sie ihre Armbrüste neu spannten. Manchmal richtete sich ein Soldat auf und schoss auf die Bogenschützen auf den Dächern, bevor er sich rasch duckte und Pfeile durch die Luft pfiffen, wo er eben noch gestanden hatte. Überall auf der von Leichen übersäten Grasfläche steckten Pfeile im Boden, deren Schäfte wie Getreideähren aus der blutigen Erde sprossen. Mehrere hundert Schritte entfernt auf der anderen Seite des Platzes und der Soldaten bemerkte Roran ein Kampfgetümmel. Vermutlich fochten dort Sand, Edric und der Rest ihrer Truppe gegen die Soldaten. Ob sich die Frau und der Junge noch auf dem Platz befanden, konnte er nicht erkennen.
Ein Bolzen sauste auf Roran zu. Knapp einen Schritt vor seiner Brust änderte das Geschoss abrupt die Richtung und verfehlte ihn und seine Leute. Er zuckte zusammen, doch der Bolzen war schon an ihm vorbei. Ihm schnürte es die Kehle zu und sein Herz schlug plötzlich doppelt so schnell wie zuvor.
Roran sah an einem Haus zu seiner Linken einen zerbrochenen Wagen. Er deutete darauf. »Zieht den hierher und kippt ihn um. Blockiert so viel von der Straße, wie ihr könnt.« Dann schrie er den Bogenschützen zu: »Sorgt dafür, dass sich die Soldaten nicht um uns herumschleichen und uns von der Seite angreifen! Wenn sie sich auf uns stürzen, lichtet ihre Reihen, so gut ihr könnt. Wenn ihr keine Pfeile mehr habt, kommt zu uns herunter!«
»Jawohl!«
»Aber passt auf, dass ihr nicht aus Versehen uns trefft.
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