Die Weisheit des Feuers
leider nicht in Erfahrung bringen.«
Gedankenverloren blickte Eragon in die Ferne. Zum ersten Mal ergaben all die Geschichten, die er über Galbatorix’ übernatürliche Kräfte gehört hatte, einen Sinn. Gedämpfter Optimismus stieg in ihm auf, als er sich sagte:
Ich weiß zwar noch nicht, wie, aber wenn wir es schaffen, die Eldunarí aus Galbatorix’ Gewalt zu befreien, dann wäre er nicht mehr mächtiger als irgendein gewöhnlicher Drachenreiter.
So vage diese Aussicht auch war, es ermutigte Eragon zu wissen, dass der König eine verwundbare Stelle hatte, mochte sie auch noch so klein sein.
Als er weiter über die Sache nachdachte, stellte sich ihm eine andere Frage. »Wie kommt es, dass die Drachenseelen in den Geschichten und Aufzeichnungen von einst nirgendwo erwähnt werden? Wenn sie so wichtig sind, müssten die Barden und Gelehrten doch davon sprechen und schreiben.«
Oromis legte die Hand flach auf den Tisch und sagte: »Von allen Geheimnissen in Alagaësia ist dies das bestgehütete, selbst unter meinem Volk. Zu allen Zeiten waren die Drachen bestrebt, ihre Eldunarí vor dem Rest der Welt zu verheimlichen. Sie haben uns erst davon erzählt, nachdem der magische Pakt zwischen unseren beiden Völkern geschlossen war, und auch dann nur einigen Auserwählten.«
»Aber warum?«
Ach,
seufzte Glaedr,
wir haben das Gebot der Verschwiegenheit oft genug missachtet, aber wenn die Existenz der Eldunarí allgemein bekannt geworden wäre, hätte jeder dahergelaufene Halunke im Land versucht, einen davon zu stehlen, und letztendlich hätten es wohl einige geschafft. Das wollten wir unbedingt verhindern.
»Gibt es denn für einen Drachen keine Möglichkeit, seinen Eldunarí zu verteidigen?«, fragte Eragon.
Glaedrs Augen schienen heller zu funkeln denn je.
Eine berechtigte Frage. Ein Drache aus Fleisch und Blut, der seinen Eldunarí ausgespien hat, kann ihn natürlich mit Zähnen, Klauen, seinem Schwanz und seinen schlagenden Flügeln verteidigen. Aber ein toter Drache hat keine dieser Möglichkeiten mehr. Seine einzige Waffe ist sein Verstand und vielleicht, wenn der Zeitpunkt günstig ist, die Magie, die wir aber nicht willentlich kontrollieren können. Aus diesem Grund haben viele Drachen es vorgezogen, ihr Leben nicht über den Tod ihres Körpers hinaus zu verlängern. Sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen zu können, die Welt um sich her nur über das Bewusstsein eines anderen zu erleben und den Lauf der Dinge nur mit seinen Gedanken oder mit seltenen und unvorhersehbaren magischen Schüben zu beeinflussen, wäre für jedes Lebewesen schwer zu akzeptieren, aber ganz besonders für einen Drachen, denn wir sind die freiesten aller Geschöpfe.
»Warum haben sie es dann trotzdem getan?«, fragte Eragon.
Manchmal ist es aus Versehen passiert. In dem Moment, in dem ihr Körper versagte, kann ein Drache in Panik geraten und sich in sein Herz der Herzen flüchten. Und wenn ein Drache seinen Seelenhort ausgespien hatte, bevor sein Körper starb, blieb ihm nichts anderes übrig, als es zu ertragen. Aber meist waren die Drachen, die in ihrem Eldunarí weiterleben wollten, steinalt. Älter als Oromis und ich es jetzt sind, so alt, dass ihnen ihr Körper nichts mehr bedeutete und sie sich in sich selbst zurückgezogen hatten und den Rest der Ewigkeit damit verbringen wollten, über Fragen nachzudenken, die jüngere Lebewesen nicht begreifen können. Wir verehrten und hüteten die Seelensteine dieser Drachen wegen ihrer umfassenden Weisheit und Erfahrung. Für wilde Drachen wie für Drachen mit Reitern und auch für die Drachenreiter war es gleichermaßen üblich, bei schwierigen Problemen ihren Rat zu erfragen. Dass Galbatorix sie versklavt hat, ist ein Verbrechen von unvorstellbarer Grausamkeit und Niedertracht.
Jetzt habe
ich
eine Frage,
meldete sich Saphira und das starke Pulsieren ihrer Gedanken erfüllte Eragons Geist.
Wenn einer von uns erst mal in seinem Eldunarí eingeschlossen ist, muss er dann unbedingt weiterleben oder kann er, wenn er diesen Zustand nicht mehr erträgt, aufhören, an der Welt festzuhalten, und sich ins Dunkel fallen lassen?
»Nicht aus eigener Kraft«, erklärte Oromis. »Es sei denn, die Magie kommt im richtigen Augenblick über ihn und gibt dem Drachen die Macht, seinen Eldunarí von innen zu zerstören, was meines Wissens äußerst selten vorgekommen ist. Die einzige andere Möglichkeit besteht darin, dass der Drache jemand anderen dazu bringt, seinen Seelenstein
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