Die Weisheit des Feuers
retten können.
Doch die Stadt war zu weit entfernt. Oromis’ Bewusstsein wankte... wurde schwächer... entglitt ihm...
Glaedr leitete seine eigene Kraft in Oromis’ vernichteten Körper, um ihn am Leben zu halten, bis sie den Boden erreichten.
Aber er konnte die Blutung nicht stillen, die schreckliche Blutung.
Glaedr... lass mich,
murmelte Oromis in seinen Gedanken.
Und kurz darauf flüsterte er mit noch schwächerer Stimme:
Traure nicht um mich.
Und dann glitt der Gefährte von Glaedrs Leben in die große Leere hinüber.
Fort.
Fort!
FORT!
Dunkelheit. Leere.
Er war allein.
Ein roter Schleier legte sich über die Welt, der im Rhythmus seines Blutes pulsierte. Er schlug mit den Flügeln und drehte um, auf der Suche nach Dorn und seinem Reiter. Er würde sie nicht entkommen lassen. Er würde sie in der Luft zerreißen und zu Asche verbrennen, bis er sie vom Angesicht der Erde getilgt hatte.
Als Glaedr den Würger-klein-und-rot auf sich zukommen sah, brüllte er seine Trauer heraus und verdoppelte sein Tempo. Dorn wich im letzten Moment aus, um ihm in die Flanke zu fallen, aber er war nicht schnell genug, um Glaedr zu entkommen, der ausholte, zuschnappte und dem roten Drachen die letzten drei Fuß von seinem Schwanz abbiss. Eine Blutfontäne spritzte aus dem Stumpf. Dorn heulte auf vor Schmerz, wand sich davon und schoss in Glaedrs Rücken. Glaedr wollte sich zu ihm umdrehen, aber der kleinere Drache war flinker und wendiger. Glaedr spürte einen stechenden Schmerz im Nacken, dann flackerte seine Sehkraft und schwand.
Wo war er?
Er war allein.
Er war allein in der Finsternis.
Er war allein in der Finsternis, er war blind und er konnte sich nicht rühren.
Er spürte die Gedanken anderer Lebewesen in seiner Nähe, aber es waren nicht Dorn und Murtagh, sondern Arya, Eragon und Saphira.
Und da wusste Glaedr, wo er sich befand. Grauen erfasste ihn und er brüllte in die Dunkelheit. Brüllte und brüllte und ergab sich besinnungslos seinem Schmerz. Für ihn gab es keine Zukunft, denn Oromis war tot und er war allein.
Ganz allein!
Ruckartig kam Eragon wieder zu sich.
Er lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Keuchend rappelte er sich auf und blickte sich nach Saphira und Arya um.
Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er sah.
Eben war er noch im Begriff gewesen, die Magierin anzugreifen; jetzt lag sie vor ihm, von einem einzigen Schwerthieb niedergestreckt. Die Geister, die sie und ihre Gefährten gerufen hatten, waren nirgends zu sehen. Fürstin Lorana saß noch immer reglos in ihrem Sessel. Am anderen Ende des Turmzimmers kämpfte sich Saphira auf die Beine. Und der Mann, der zwischen den drei Magiern auf dem Boden gesessen hatte, stand neben ihm und hielt Arya an der Kehle in die Höhe.
Seine Haut hatte alle Farbe verloren und war knochenweiß. Das ehemals braune Haar leuchtete rot, und als der Mann ihn ansah und lächelte, bemerkte Eragon, dass seine Augen kastanienbraun geworden waren. Er erinnerte ihn stark an Durza.
»Unser Name ist Varaug«, sagte der Schatten. »Wir werden euch das Fürchten lehren.« Arya trat nach ihm, aber er schien es nicht einmal zu bemerken.
Der Geist des Schattens bohrte sich glühend heiß in Eragons Bewusstsein und versuchte, seinen Schutzwall niederzureißen. Die Gewalt des Angriffs lähmte Eragon. Er vermochte kaum die tastenden Fühler abzuwehren, geschweige denn, zu gehen oder ein Schwert zu schwingen. Aus irgendeinem Grund war Varaug noch stärker als Durza, und Eragon wusste nicht, wie lange er dem Schatten würde standhalten können. Dann sah er, dass auch Saphira unter Beschuss stand. Sie saß steif und reglos in der Nähe des Balkons mit einem Zähnefletschen, das wie gemeißelt schien.
Die Adern an Aryas Stirn traten vor und sie wurde langsam puterrot. Ihr Mund stand offen, aber sie atmete nicht. Mit der rechten Handkante hieb sie gegen Varaugs Ellbogen und brach ihm das Gelenk mit einem vernehmlichen Knacks. Sein Arm sackte herab und Aryas Zehen berührten kurz den Boden, doch im nächsten Augenblick sprangen die Knochen wieder zurück und der Schatten hob sie höher als zuvor.
»Ihr werdet sterben«, knurrte Varaug. »Ihr werdet alle sterben, dafür dass ihr uns in den kalten, harten Lehm gesperrt habt.«
Das Wissen, dass Arya und Saphira in Lebensgefahr schwebten, erfüllte Eragon mit einer wilden Entschlossenheit, die jedes andere Gefühl auslöschte. Mit Gedanken, so klar und scharf wie eine
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