Die Weisheit des Feuers
ich mich, und morgen kann ich mich wieder um alles kümmern, was meine Aufmerksamkeit erfordert.«
Von der Seite erschien Farica und beugte sich über Nasuada. »Oh Herrin, Ihr habt uns aber einen schönen Schreck eingejagt.«
»Das tut sie immer noch«, murmelte Jörmundur.
»Nun, mir geht es schon besser.« Nasuada stemmte sich in ihrem Stuhl hoch. Ihre Unterarme brannten, doch sie beachtete sie nicht. »Ihr könnt beide gehen. Ich komme schon zurecht. Jörmundur, informiere Fadawar, dass er Oberhaupt seines Stammes bleiben möge, solange er mir als Feldherr Treue gelobt. Er ist als Anführer zu fähig, um auf ihn verzichten zu können. Und du, Farica, gibst auf dem Rückweg in dein Zelt der Kräuterheilerin Angela Bescheid, dass ich ihrer Dienste bedarf. Sie hat versprochen, mir Tinkturen und Umschläge anzurühren.«
»In diesem Zustand lasse ich Euch nicht allein«, erklärte Jörmundur.
Farica nickte. »Verzeiht bitte, Herrin, aber ich stimme ihm zu. Es ist zu gefährlich.«
Nasuada warf einen Blick zum Eingang des großen Kommandozeltes, um sicher zu sein, dass die Nachtfalken nicht lauschten. Dann senkte sie ihre Stimme: »Ich werde nicht allein sein.« Jörmundurs Augenbrauen schossen nach oben und Farica sah beunruhigt drein. »Ich bin
niemals
allein. Versteht ihr?«
»Ihr habt bestimmte... Vorkehrungen getroffen, Herrin?«, fragte Jörmundur.
»Ja, das habe ich.«
Diese Versicherung schien den beiden Untergebenen nicht zu behagen. »Nasuada, ich bin für Euer Wohlergehen verantwortlich«, sagte Jörmundur. »Ich muss wissen, welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen Ihr ergriffen habt und wem genau der Zugang zu Euch gestattet ist.«
»Nein«, sagte sie sanft. Als sie Jörmundurs gekränkten Blick bemerkte, fuhr sie fort: »Ich hege keinen Zweifel an deiner Loyalität, ganz im Gegenteil. Aber diese eine Sache muss ich ganz für mich behalten. Um meines Seelenfriedens willen muss ich diesen einen Dolch tragen, den niemand sehen kann. Ich muss sozusagen noch ein Ass im Ärmel haben. Betrachte es ruhig als eine Charakterschwäche von mir, aber quäle dich nicht, indem du mein Vorgehen als Kritik an deiner Arbeit auffasst.«
»Herrin.« Jörmundur verneigte sich, eine Formalität, die er ihr normalerweise ersparte.
Mit einer Handbewegung entließ sie die beiden, und Jörmundur und Farica eilten aus dem Zelt.
Eine ganze Weile war das einzige Geräusch, das Nasuada vernahm, das raue Krächzen der Blutkrähen, die über dem Lager der Varden kreisten. Dann hörte sie ein leises Rascheln hinter sich, wie von einer Maus auf Futtersuche. Sie wandte den Kopf und sah Elva aus ihrem Versteck hinter dem Vorhang treten.
Nasuada musterte sie.
Ihr unnatürlich schnelles Wachstum hatte sich fortgesetzt. Als Nasuada der Kleinen vor einer Weile zum ersten Mal begegnet war, schien sie zwischen drei und vier Jahre alt zu sein. Nun sah sie eher aus wie sechs. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit violetten Borten am Hals und an den Schultern. Ihr langes glattes Haar war noch dunkler, eine flüssige Schwärze, die sich weit über ihren Rücken ergoss. Ihr scharf geschnittenes Gesicht war knochenweiß, da sie kaum nach draußen ging. Das Drachenmal auf ihrer Stirn glänzte silberfarben. Und in ihren Augen, in ihren violetten Augen, lag ein erschöpfter, zynischer Ausdruck - die Folge von Eragons Segen, der ein Fluch war, da die Kleine den Schmerz anderer Menschen teilen und ihn wenn möglich verhindern musste. Die jüngste Schlacht auf den Brennenden Steppen hätte sie fast umgebracht, denn das Leid Tausender hatte ihre Seele traktiert, obwohl ein Mitglied der Du Vrangr Gata sie für die Dauer der Kämpfe in einen künstlichen Schlaf versetzt hatte, der sie schützen sollte. Erst vor Kurzem hatte sie wieder angefangen, zu sprechen und sich für ihre Umgebung zu interessieren.
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und Nasuada fragte: »Hat es dich sehr mitgenommen?«
Elva zuckte die Schultern. »Den Schmerz bin ich gewohnt, aber Eragons Zauber zu widerstehen, wird niemals leichter... Man kann mich nur schwer beeindrucken, aber so viele Schnitte... Du bist eine starke Frau, Nasuada.«
Obwohl sie Elvas Stimme schon oft gehört hatte, fuhr Nasuada bei ihrem Klang immer noch zusammen. Es war die bittere, spöttische Stimme einer Erwachsenen, der es vor der Welt ekelte, nicht die eines Kindes. Sie versuchte, ihr Schaudern zu verdrängen, als sie entgegnete: »Du bist stärker. Du musstest auch noch
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