Die Weisheit des Feuers
Kunde von Saphiras Ankunft überbracht hatte - ein dünner Mann mit einem ungepflegten Wuschelbart -, verneigte sich, dann deutete er zum Himmel. »Herrin, wie Ihr seht, habe ich die Wahrheit gesagt.«
»Ja. Gut gemacht. Du musst scharfe Augen haben, um Saphira so früh erspäht zu haben. Wie heißt du?«
»Fletcher, Sohn von Harden, Herrin.«
»Hab Dank, Fletcher. Du kannst jetzt auf deinen Posten zurückkehren.«
Nach einer weiteren Verbeugung trottete der Mann davon zum Rand des Lagers.
Den Blick starr auf Saphira geheftet, ging Nasuada zwischen den Zeltreihen hindurch, bis sie das freie Gelände erreichte, das man für den Drachen als Start- und Landeplatz reserviert hatte. Ihre Leibgarde und Gefährten begleiteten sie, doch sie schenkte ihnen keine Beachtung. Sie war viel zu aufgeregt, endlich Eragon und Saphira wiederzusehen. In den vergangenen Tagen hatte sie sich große Sorgen um die beiden gemacht, sowohl in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt der Varden wie auch, zu ihrer Überraschung, als Freundin.
Saphira flog schnell wie ein Falke, war aber immer noch mehrere Meilen vom Lager entfernt, und es dauerte fast zehn Minuten, bis sie das letzte Stück bewältigt hatte. Unterdessen bildete sich rings um das Feld ein riesiger Auflauf von Schaulustigen: Menschen, Zwerge und selbst ein Trupp grauhäutiger Urgals, angeführt von Nar Garzhvog. Ebenfalls gekommen waren König Orrin und seine Höflinge, die gegenüber von Nasuada Aufstellung nahmen; Narheim, der Botschafter der Zwerge, der nach Oriks Rückkehr nach Farthen Dûr dessen Pflichten übernommen hatte; Jörmundur; die anderen Mitglieder des Ältestenrates und Arya.
Die groß gewachsene Elfe schob sich durch die Menge auf Nasuada zu. Obwohl die Leute gespannt Saphiras Landung erwarteten, wandten Männer wie Frauen den Blick vom Himmel und starrten Arya nach, so beeindruckend war ihre Erscheinung. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, trug eine hautenge Hose wie ein Mann, an der Hüfte ein Schwert und auf dem Rücken einen Bogen samt Köcher. Ihre Haut war von der Farbe hellen Honigs, ihr Gesicht hatte etwas Katzenartiges. Und sie bewegte sich mit einer kraftvollen, geschmeidigen Anmut, die ebenso auf ihr Geschick mit dem Schwert wie auf ihre übernatürlichen Kräfte verwies.
Ihre exzentrische Kleidung hatte Nasuada immer als ein wenig unschicklich empfunden: Sie war viel zu figurbetont. Aber Nasuada musste zugeben, dass Arya selbst in Lumpen noch königlicher und würdevoller ausgesehen hätte als irgendeine sterbliche Adlige.
Die Elfe blieb vor Nasuada stehen und deutete mit einem schlanken Finger auf deren Wunden. »Es ist so, wie der Poet Earnë sagte: Zum Wohle seines Volkes und seiner geliebten Heimat Schmerzen zu erdulden, ist das Ehrenwerteste, was man tun kann. Ich habe jeden Anführer der Varden gekannt. Es waren alles mächtige Männer und Frauen, vor allem Ajihad. Dennoch denke ich, du hast selbst ihn übertroffen.«
»Ich fühle mich geehrt, Arya. Aber ich fürchte, wenn mein Licht so hell scheint, werden zu wenige meinem Vater das Andenken bewahren, das ihm gebührt.«
»Die Taten der Kinder sind immer auch Zeugnis der Erziehung, die sie von ihren Eltern erhalten haben. Brenne wie die Sonne, Nasuada! Denn umso heller du erstrahlst, desto mehr Leute werden Ajihad bewundern, der dich gelehrt hat, die Verantwortung der Führerschaft in so jungen Jahren zu übernehmen.«
Nasuada senkte das Haupt und nahm sich vor, Aryas Ratschlag zu beherzigen. Dann sagte sie lächelnd: »In so jungen Jahren? Nach unseren Maßstäben bin ich eine erwachsene Frau.«
Belustigung blitzte in Aryas grünen Augen. »Das stimmt. Aber wenn wir nach Jahren und nicht nach Weisheit urteilten, würde unter meinen Artgenossen kein Mensch als erwachsen gelten. Außer Galbatorix natürlich.«
»Und ich«, warf Angela ein.
»Ach komm«, sagte Nasuada. »Du bist doch nicht viel älter als ich.«
»Ha! Ihr verwechselt die äußere Erscheinung mit dem Alter. Eigentlich solltet Ihr es besser wissen, nachdem Ihr nun schon so viel Zeit mit Arya verbracht habt.«
Bevor Nasuada fragen konnte, wie alt Angela denn nun wirklich sei, spürte sie, wie ihr jemand von hinten kräftig am Kleid zupfte. Sie drehte sich um und sah, dass Elva sich diese Freiheit herausgenommen hatte und sie zu sich herunterwinkte. Sich bückend, legte Nasuada ein Ohr dicht an Elvas Mund und lauschte. »Eragon sitzt nicht auf Saphira«, sagte die Kleine.
Nasuada spürte, wie es ihr die Kehle zuschnürte und
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