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Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Titel: Die weiße Bestie: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helle Vincentz
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Einzige, was sie nicht war, war ebenso schnell.
    Ihr Vater hatte deutlich gemacht, dass die Firma eine sehr niedrige Toleranz gegenüber Fehlern hatte und dass dies, was sie betraf, eher eine Nulltoleranz bedeutete. Es wäre für die übrigen Angestellten ein schlechtes Beispiel, wenn die Tochter des Chefs Fehler beging. Daher hatte sie Stunde um Stunde darauf verwendet, ihre Briefe und Antwortschreiben durchzugehen und sie von Zweideutigkeiten, Fehlern, falschen Kommas, was auch immer, zu bereinigen.
    Im ersten Jahr wurde das akzeptiert. Die Erwartungen daran, wie viel sie pro Mandant verdienen sollte, waren nicht hoch. Im zweiten Jahr hatte ihr Vater ein paarmal den niedrigen Betrag kommentiert. Im dritten Jahr war sie zum Gespräch in das Büro des Vaters gerufen worden. Er hatte sie mit gerunzelter Stirn empfangen, und sie hatte sofort gewusst, dass etwas nicht stimmte.
    » Das hier geht nicht, Caroline « , hatte er angefangen, sobald sich jeder von ihnen auf seine Seite des schweren Schreibtisches gesetzt hatte. » Du arbeitest langsamer als alle deine Kollegen oder Konkurrenten, was sie wohl eher sind. Die anderen Partner haben begonnen, mir Fragen hinsichtlich deiner mangelnden Leistung zu stellen .«
    Sie hatte versucht zu erklären. Hatte hervorgehoben, dass sie sehr wenig Fehler machte und ihre Mandanten froh darüber waren, mit ihr zusammenzuarbeiten. Aber das war gerade das Problem, hatte der Vater gesagt: Die Mandanten sollten natürlich zufrieden sein, aber sie sollten nicht das Gefühl haben, mehr zu bekommen als das, wofür sie bezahlten.
    Sie hatten lange diskutiert, aber zum Schluss hatte der Vater das Gespräch wie folgt beendet:
    » Bis zum Jahresende musst du deine Effektivität um zwanzig Prozent steigern. Das hat die Gruppe der Partner beschlossen .«
    Nach diesem Treffen hatte die stressigste Zeit in Carolines Leben begonnen. Sie hatte härter und schneller als jemals zuvor geackert. Nacht für Nacht hatte sie im Büro verbracht, an vielen Tagen hatte sie es am Morgen gerade nach Hause geschafft, um ein Bad zu nehmen und die Kleider zu wechseln, damit niemand bemerkte, dass sie sich die ganze Nacht über im Büro aufgehalten hatte. Sie war gezwungen, es aussehen zu lassen, als würde sie die Arbeit schneller erledigen, als sie es tatsächlich tat.
    Jeden Tag, der verging, war Kasper frustrierter geworden. Er bat sie, das Tempo zu drosseln, ihre Beziehung würde das nicht aushalten, wenn sie in dieser Weise weitermachen würde.
    Caroline hatte auch bemerkt, dass ihr und Kaspers Sexleben ins Stocken geraten war, dass ihre Gespräche zum Austausch einsilbiger Worte geworden waren, dass ihr die Haare in Büscheln ausfielen, wenn sie sie wusch, und dass die Hosenanzüge immer lockerer saßen. Aber sie hatte keine Wahl gehabt. Ihren Vater zu enttäuschen und zu demütigen, war keine Alternative.
    Ein paar Monate später hatte ihr Vater sie wieder in sein Büro gerufen. Caroline war mit zerrütteten Nerven und vollgepumpt mit Koffein zu dem Gespräch gegangen. Es war mittlerweile viel Kaffee nötig, bevor irgendein Effekt spürbar wurde.
    » Meine kleine Ansage war offensichtlich das, was nötig war. « Der Vater hatte breit gelächelt. » Du hast dich wirklich verbessert, Caroline .«
    Caroline hatte dankbar genickt.
    » Die Gruppe der Partner ist mit deinem gegenwärtigen Einsatz sehr zufrieden, und daher haben wir beschlossen, dass du deine Kräfte an einer wichtigen Sache ausprobieren darfst, die wir gerade bekommen haben .«
    Ein guter Kunde des Unternehmens wurde verklagt und hatte sich Toft, Kring & Kayser als Verteidiger gewünscht. Ein Partner würde sie beraten, aber der Fall würde ihrer sein. Sie sollte die Verhandlungen führen, den Kontakt zum Mandanten wahrnehmen und dafür sorgen, dass alle Dokumente zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Instanzen abgeliefert würden. Das war eine große Verantwortung, aber ihr Vater war der Ansicht, sie war bereit dafür.
    An die Zeit danach erinnerte sie sich nur bruchstückhaft. Die deutlichste Erinnerung war die an Kasper. Zuvor war er über die Veränderungen, zu denen Carolines Arbeit in ihrer Beziehung geführt hatte, frustriert gewesen, jetzt hatte er Angst.
    » Du wirst ganz einfach gezwungen sein, zurückzuschalten, Caroline, oder du endest damit, dich selbst umzubringen, wenn du so weitermachst. Kein Job ist so wichtig « , hatte er wieder und wieder gesagt. Sie hatte ihn kaum noch wahrgenommen. Hatte nur bemerkt, dass es ihr schwerer

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