Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
Abscheu.
Die andere Möglichkeit war die einzig realistische.
Er war gezwungen, sie zum Schweigen zu bringen. Das musste möglich sein. Es konnte gut sein, dass sie der Meinung war, über Wasser gehen zu können, aber trotz allem war sie nicht so hartgesotten, wie John Hansen es war. Und auch wenn er gut wusste, dass er beim Vorstand zu Hause in Kopenhagen nicht hoch im Kurs stand, gab es auf jeden Fall ein Vorstandsmitglied, das ihm einen Gefallen schuldete.
Es war an der Zeit, diesen einzufordern.
22
Die Tour nach Asabo erinnerte an die Fahrt, die sie erst vorgestern gemacht hatten.
Der dichte Morgenverkehr in der Stadt, der langsam nachließ und in die staubige Stille der Wildnis verwandelt wurde. Die gleiche holperige Straße. Das gleiche ramponierte Auto. Dieselben drei ungleichen Musketiere.
Caroline schielte nach hinten zu Daniel und nach rechts zu Stanley. In Kenia herrschte Linksverkehr. Aber die Löcher in der Straße brachten die Fahrer regelmäßig dazu, das Lenkrad so weit nach rechts zu drehen, dass sie auf den rechten Seitenstreifen gerieten– und dann dort weiterfuhren.
Der einzige Unterschied zwischen dieser und der letzten Fahrt war, dass Stanley heute etwas mehr sprach. Er erzählte von seiner Kindheit auf dem Land und wie er in die Stadt gekommen war, um Geld zu verdienen.
Die Eltern waren arme Bauern gewesen, wohingegen er selbst genug verdiente, um beide Töchter in eine gute Schule zu schicken– selbstverständlich nicht in so eine, in die die Kinder der Reichen gingen, aber in eine gute, versicherte er Caroline mehrfach. Seine Frau war Friseurin sie verdiente Geld, indem sie den anderen Bewohnern des Slums die Haare schnitt und flocht. Tatsächlich, berichtete er unverkennbar stolz, war sie so beliebt geworden, dass seit dem vergangenen Jahr Kunden aus den wohlhabenderen Vierteln Nairobis zu ihr kamen. Und die Töchter sollten es weit bringen, darin war er sich sicher. Weiter als ihre Eltern. So ging es Generation für Generation, genau wie es sein sollte.
Caroline hörte ihm zu, zuerst mit einem Gefühl von Nachsicht. Die Erzählung war ein bisschen pathetisch. Stanley hatte sich ja nicht gerade aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet und würde der nächste Präsident des Landes werden– trotz allem war er nur Chauffeur. Auch wenn das Ganze nach kenianischen Standards ein guter Job war, war es nicht der amerikanische Traum, der ausgelebt wurde.
Aber nach und nach wurde sie von einer Art von… Neid erfüllt. Es war bemerkenswert, auf diese Weise zufrieden sein zu können. Der Glaube daran, dass das, was man erreicht hatte, eine Leistung war, die Abwesenheit von Furcht davor, dass plötzlich jemand rief: » Was glaubst du, das ist doch nicht gut genug! «
Konnte sie selbst das Gleiche machen, grübelte Caroline, während sie sich Asabo näherten. Konnte sie sich jemals selbst auf die Schulter klopfen, es sei denn, das, was sie erreicht hatte, war ein prestigeträchtiger Posten, bei dem alle sehen konnten, dass es toll war, diesen zu bekommen? Das glaubte sie nicht. Ein richtiger Zukunftstraum war ein großer Traum.
Ihr Traum war es, erfolgreich zu werden.
Tatsächlich war das nicht nur ein Traum, das war ein Muss. Auf der anderen Seite des Erfolges hatte sie keine Vorstellung davon, was sie sich vom Leben wünschte.
Viele der Frauen in ihrem Alter, die sie kannte, hatten Träume, die weit in die Zukunft reichten. Partner in einer großen Anwaltskanzlei und Bürochefin im Justizministerium stand bei vielen von denen, mit denen sie zusammen studiert hatte, ganz oben auf der Liste, aber es gab auch andere Träume. Zu reisen und die Welt zu erleben oder seine eigene Boutique für Kinderbekleidung zu eröffnen.
Wenn Caroline selbst nach ihren Träumen gefragt wurde, fühlte sie sich leer und murmelte etwas davon zu schauen, wie weit sie ihre gegenwärtige Karriere bringen würde.
Sie beneidete Christian. Er musste nicht so viele Entscheidungen treffen.
Als Kind hatte sie genau gewusst, was sie wollte.
Damals hatte sie ein alles verschlingendes Interesse: Haie.
Ihr Zimmer war mit Büchern, Bildern und Stofftieren gefüllt gewesen. Als ein Mädchen, das alles über Wale wusste, im Fernsehen auftrat, hatte Caroline gebannt vor dem Bildschirm gesessen und sich vorgestellt, dass sie es war, die dort im Studio saß. Sie hatte ihre Eltern gefragt, ob sie ihr nicht helfen wollten, einen Brief zu schreiben, damit die Fernsehleute sie einladen und ihr Fragen über Haie stellen
Weitere Kostenlose Bücher