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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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gemächlichen Schritt nach rechts und drückte sich dann plötzlich mit dem Rücken gegen die Vorderseite eines Stalls, der direkt an der Ecke stand. Die breiten Stalltore waren geschlossen und vermutlich von innen verriegelt, aber der Geruch von Pferden und Pferdedung hing in der eiskalten Luft. Das Gasthaus auf der gegenüberliegenden Straße war ebenfalls verriegelt und verrammelt, die Fenster mit den Schlagläden verschlossen und dunkel, der einzige Laut außer dem Wind war das Quietschen seines Schildes, das Hanlon in der Nacht nicht entziffern konnte. Niemand war da, um zu sehen, was ihn nichts anging.
    Er hörte das Geräusch von Stiefeln, die in dem Bemühen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren, schneller ausschritten, und dann schob sich vorsichtig ein von einer Kapuze verhüllter Kopf um die Ecke. Natürlich nicht vorsichtig genug. Hanlons linke Hand zuckte in die Kapuze, um eine Kehle zu umschließen, während zur gleichen Zeit seine rechte einen geübten Stoß mit dem Dolch ausführte. Im Grunde rechnete er mit einem Brustpanzer oder einem Kettenhemd unter dem Mantel des Mannes, aber ein paar Fingerbreit Stahl drangen mühelos unter dem Brustbein des Mannes ein. Er wusste nicht, warum das die Lungen eines Mannes zu lähmen schien, sodass er nicht aufschreien konnte, bis er an seinem eigenen Blut erstickt war, aber er wusste, dass es so war. Doch heute Nacht hatte er keine Zeit. Zwar waren keine Gardisten in Sichtweite, aber das bedeutete nicht, dass es auch so blieb. Mit einem schnellen Ruck schlug er den Kopf des Mannes hart genug gegen die Steinmauer des Stalls, um ihm den Schädel zu spalten, dann trieb er den Dolch bis zum Heft in den Körper und fühlte, wie die Klinge knirschte, als sie die Wirbelsäule des Burschen durchtrennte.
    Seine Atmung blieb gleichmäßig - Töten war bloß etwas, das gelegentlich erforderlich war, nichts, weswegen man sich aufregen musste -, aber er setzte die Leiche schnell im Schnee an der Wand ab, ging daneben in die Hocke und wischte die Klinge an dem dunklen Mantel des Mannes ab, während er sich seine andere Hand unter die Achselhöhle klemmte, um den Panzerhandschuh auszuziehen. Er schaute sich schnell nach beiden Seiten um, während er in der Dunkelheit das Gesicht des Mannes abtastete. Bartstoppeln verrieten ihm, dass es ein Mann war, aber mehr auch nicht. Mann, Frau oder Kind, das machte für ihn keinen Unterschied - nur Narren taten so, als hätten Kinder keine Augen im Kopf oder Zungen, die erzählen konnten, was sie gesehen hatten -, aber er wünschte sich, es hätte einen Schnurrbart oder eine dicke Nase gegeben, irgendetwas, um eine Erinnerung in ihm aufblitzen zu lassen und ihm zu verraten, wer der Bursche war. Seine Hand glitt über den Ärmel des Toten und fand dicke Wolle, weder besonders fein noch besonders grob, und einen sehnigen Arm, der einem Schreiber oder Kutscher oder Fußsoldaten gehören mochte. Mit anderen Worten, also jedem Mann, genau wie der Mantel. Hanlon durchwühlte die Taschen des Toten, er fand einen Holzkamm und ein Fadenknäuel, das er zur Seite warf. Am Gürtel des Mannes verharrte er. Dort hing eine leere Lederscheide. Kein Mann auf der Welt hätte mit Hanlons Stahl in der Lunge noch seinen Dolch ziehen können. Natürlich gab es gute Gründe, das Messer gezogen zu tragen, wenn man nachts unterwegs war, aber der Grund, der ihm sofort einfiel, bestand darin, jemanden in den Rücken zu stechen oder eine Kehle durchzuschneiden.
    Aber das ließ ihn nur kurz verharren. Er verschwendete keine weitere Zeit mit Spekulationen, sondern schlitzte den Geldbeutel des Burschen auf. Das Gewicht der Münzen, die ihm in die Hand fielen und die er hastig in den eigenen Beutel stopfte, verriet ihm, dass es kein Gold war, vermutlich war nicht mal ein Silberstück dabei. Aber ein aufgeschlitzter Beutel und fehlendes Geld würden denjenigen, der die Leiche fand, auf einen Raubmord schließen lassen. Er erhob sich, zog den Panzerhandschuh an und schritt nur Augenblicke, nachdem er zugestochen hatte, wieder über den mit Schneematsch bedeckten Bürgersteig, den Dolch unter dem Umhang eng an die Seite gehalten und mit misstrauischem Blick. Er entspannte sich erst, als er eine Straße von dem Toten entfernt war, und selbst dann entspannte er sich nicht sehr.
    Die meisten Leute, die von dem Verbrechen hörten, würden die Geschichte mit dem Raubmord, die er präsentiert hatte, glauben, aber nicht derjenige, der den Kerl geschickt hatte. Da er ihm vom Palast

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