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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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aus gefolgt war, bedeutete das, dass ihn jemand geschickt hatte, aber wer? Wenn eine vom Meervolk ihm ein Messer in den Leib stoßen wollte, hätte sie es selbst getan. So sehr Hanlon die Kusinen allein schon durch ihre Existenz beunruhigten, schienen sie sich still und unauffällig zu verhalten. Gewiss, Leute, die bewusst keine Aufmerksamkeit erregten, kamen am ehesten dafür in Frage, einen Meuchelmörder in der Nacht zu dingen, aber er hatte mit keiner von ihnen je mehr als drei Worte gewechselt, und mit Sicherheit hatte er nie versucht, eine von ihnen zu betatschen. Die Aes Sedai kamen dafür noch eher in Frage, aber er war ziemlich sicher, nichts getan zu haben, was ihren Argwohn geweckt hätte. Andererseits konnte jede von ihnen ihre eigenen Gründe haben, ihn tot sehen zu wollen. Bei Aes Sedai konnte man nie wissen. Birgitte Trahelion war eine dumme Kuh, die sich allen Ernstes für eine Gestalt aus einer Geschichte zu halten schien, vielleicht war sie sogar die echte Birgitte, falls es je eine Birgitte gegeben hatte, aber es war durchaus möglich, dass sie ihn als Bedrohung für ihre Position betrachtete. Sie mochte ja ein Flittchen sein, so wie sie in ihren Hosen durch die Korridore tänzelte, aber sie hatte einen kalten Blick. Sie hätte ohne zu blinzeln den Befehl geben können, jemandem die Kehle durchzuschneiden. Aber die letzte Möglichkeit war jene, die ihn am meisten besorgte. Seine eigenen Herren gehörten nicht zu den vertrauensseligsten aller Menschen und waren auch nicht besonders vertrauenswürdig. Und Lady Shiaine Avarhin, die ihm im Augenblick die Befehle gab, war diejenige gewesen, die ihn in dieser Nacht zu sich gerufen hatte. Wo zufällig ein Kerl mit einem Messer in der Hand auf ihn wartete. Er glaubte nicht an Zufälle, ganz egal, was die Leute über diesen al'Thor sagten.
    Der Gedanke, zum Palast zurückzukehren, kam und verging wieder blitzartig. Er hatte Gold versteckt; er konnte einen Weg durch das Tor genauso leicht bezahlen wie jeder andere auch, oder einfach den Befehl geben, eines lange genug zu öffnen, damit er hinausreiten konnte. Aber das würde bedeuten, den Rest seines Lebens über die Schulter blicken zu müssen, und jeder, der auf Armlänge an ihn herankam, konnte derjenige sein, der ausgesandt worden war, ihn zu töten. Kein großer Unterschied zu seiner jetzigen Lebensweise. Abgesehen von der Sicherheit, dass ihm jemand früher oder später Gift in die Suppe streuen oder ein Messer zwischen die Rippen jagen würde. Aber die Hexe Birgitte war die Hauptverdächtige. Oder eine Aes Sedai. Oder vielleicht hatte er diese Kusinen ja doch irgendwie beleidigt. Es zahlte sich immer aus, auf der Hut zu sein. Seine Finger spannten sich um den Dolchgriff. Im Augenblick war das Leben gut, mit ordentlichen Annehmlichkeiten und vielen Frauen, die von einem Hauptmann der Garde beeindruckt waren oder sich von ihm einschüchtern ließen, andererseits war ein Leben auf der Flucht dem Tod an Ort und Stelle deutlich vorzuziehen.
    Es war nicht einfach, die richtige Straße und erst recht das richtige Haus zu finden - in der Dunkelheit sah eine Seitengasse so aus wie die andere -, aber er gab sich Mühe und pochte schließlich an die Tür eines hohen, im Schatten liegenden Gebäudes, das einem wohlhabenden, aber diskreten Kaufmann hätte gehören können. Er wusste jedoch, dass dem nicht so war. Avarhin war ein kleines Adelshaus, einige hielten es sogar für ausgestorben, aber es gab noch eine Tochter, und Shiaine hatte Geld.
    Einer der Türflügel schwang auf, und er riss die Hand hoch, um sich vor dem plötzlichen Lichtglanz zu schützen.
    Die linke Hand; den Dolch in der rechten hielt er verborgen und bereit. Er blinzelte durch die gespreizten Finger und erkannte die Frau in der einfachen dunklen Dienerinnentracht an der Tür. Nicht, dass ihn das auch nur eine Spur beruhigte.
    »Gebt mir einen Kuss, Falion«, sagte er, als er eintrat.
    Mit einem anzüglichen Grinsen griff er nach ihr. Natürlich mit der Linken.
    Die Frau mit dem schmalen Gesicht stieß seine Hand zur Seite und schloss die Tür fest hinter ihm. »Shiaine ist mit einem Gast oben im Wohnzimmer«, sagte sie ruhig, »und die Köchin ist in ihrer Kammer. Sonst ist niemand im Haus. Hängt Euren Umhang an die Garderobe. Ich lasse sie wissen, dass Ihr da seid, aber vielleicht müsst Ihr warten.«
    Hanlon ließ das Grinsen verschwinden und die Hand sinken. Trotz ihres alterslosen Gesichts konnte man Falion bestenfalls als ansehnlich

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