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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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auf das Papier. »Wenn ich Theodrin in die Finger bekomme, wird sie sich wünschen, eine Novizin zu sein. Und Faolain! Wenn sie glauben, sie könnten sich jetzt aus dem Staub machen, dann schwöre ich, dass ich die beiden aufschlitze wie Schweine auf dem Dock!«
    »Wen wollt Ihr aufschlitzen?«, fragte Sheriam, als sie in einem kalten Luftschwall durch das Gewebe trat.
    Egwenes Stuhl wäre beinahe zusammengebrochen. Sie musste sich einen Stuhl besorgen, der nicht bei jeder Bewegung zusammenklappen wollte. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass Edarra niemals zusammengezuckt war, als hätte ihr jemand Juckpulver ins Kleid getan.
    »Niemanden, der Euch betrifft«, sagte Siuan ruhig und hielt das Papier an eine Flamme der Tischlampe. Es verbrannte schnell, bis zu ihren Fingerspitzen, dann zerrieb sie es zwischen den Händen und klopfte die Asche ab. Nur Egwene, Siuan und Leane kannten die Wahrheit über Theodrin und Faolain. Und die beiden Schwestern natürlich. Obwohl es eine ganze Menge gab, das keine von ihnen wusste.
    Sheriam akzeptierte die Zurückweisung mit Gleichmut. Die Frau mit den feuerroten Haaren schien sich von ihrem Zusammenbruch im Saal völlig erholt zu haben. Zumindest hatte sie ihre äußere Würde zurückerlangt, jedenfalls größtenteils. Als sie zusah, wie Siuan das Blatt verbrannte, hatten sich ihre schräg stehenden grünen Augen vielleicht etwas zusammengezogen, und sie berührte die schmale blaue Stola, die von ihren Schultern herabhing, wie um sich zu versichern, dass sie da war. Sie musste Siuans Befehle nicht hinnehmen - am Ende war es Egwene unangemessen erschienen, ihre Behüterin in diese Position zu bringen -, aber Sheriam wusste nur zu gut, dass auch Siuan ihre Anweisungen nicht befolgen musste, was sie gewiss ärgerte, jetzt, da Siuan in der Macht so weit unter ihr stand. Das Wissen, dass es Geheimnisse gab, zu denen sie keinen Zugang hatte, musste sie ebenfalls ärgern. Aber sie würde damit leben müssen.
    Auch sie brachte ein Papier, das sie vor Egwene auf den Tisch legte. »Ich bin unterwegs Tiana begegnet, Mutter, und habe ihr gesagt, dass ich Euch das geben werde.«
    »Das« war der Tagesbericht über die Ausreißer, obwohl der nicht mehr täglich eingereicht wurde, nicht mal mehr wöchentlich, seit man die Novizinnen zu Familien zusammengefasst hatte. Die Nichten stützten einander durch Enttäuschungen und Tränen, und schafften es, einander die schlimmsten Fehler auszureden, so wie fortzulaufen. Auf der Seite stand nur ein Name. Nicola Treehill.
    Egwene seufzte und legte das Blatt ab. Sie hätte gedacht, dass Nicolas Gier nach Wissen ihre Füße stillgehalten hätte, ganz egal, wie sehr ihre Unzufriedenheit auch wuchs.
    Trotzdem konnte sie nicht behaupten, dass es ihr Leid tat, ihr Ende zu sehen. Nicola war verschlagen und skrupellos, dazu bereit, es mit Erpressung oder womit auch immer zu versuchen, wenn sie glaubte, dass es sie weiterbringen würde. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie Hilfe gehabt. Areina hätte sich nicht gesträubt, Pferde für eine Flucht zu stehlen.
    Plötzlich fiel ihr das Datum neben dem Namen auf. Eigentlich waren es zwei Daten, die als Fragezeichen markiert waren. Monate wurden selten benannt, Tage wurden noch weniger gezählt, außer in offiziellen Dokumenten und Verträgen. Unterzeichnet, besiegelt und bezeugt in der Stadt Illian am zwölften Tag des Saven, in diesem Jahr... Und für Berichte dieser Natur, und wenn man den Namen einer Frau in das Novizinnenbuch aufnahm. Für den allgemeinen Gebrauch reichte es, wenn man schrieb, soundso viele Tage vor diesem Festtag oder jenem. Ausgeschrieben sah ein Datum für sie immer etwas seltsam aus. Sie musste es an den Fingern abzählen, um sich sicher zu sein, was sie da las.
    »Nicola ist vor drei oder vier Tagen weggelaufen, Sheriam, und Tiana meldet es erst jetzt? Sie ist sich nicht einmal sicher, ob es vor drei oder vier Tagen war?«
    »Nicolas Nichten haben sie gedeckt, Mutter.« Sheriam schüttelte kleinlaut den Kopf. Seltsamerweise erschien ihr kleines Lächeln aber amüsiert. Oder sogar bewundernd.
    »Nicht aus Zuneigung; anscheinend waren sie froh, das Kind gehen zu sehen und hatten Angst, dass man sie zurückbringt. Sie war ziemlich unerträglich, was ihr Talent im Vorhersehen anging. Tiana ist sehr erbost über sie. Ich fürchte, heute wird keine von ihnen sorglos in ihrer Klasse sitzen können, oder in den kommenden Tagen. Tiana sagt, sie will ihnen jeden Tag den Riemen statt Frühstück

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