Die Weiße Burg
für die Aes Sedai war das ein Grund zu ernster Sorge. Jedes Fass Fleisch und jeder Sack Getreide war sofort nach dem Kauf mit einem Haltbarkeitsgewebe versehen worden, und was mit einem Haltbarkeitsgewebe versehen war, konnte sich nicht verändern, bis dieses wieder entfernt wurde. Und trotzdem verfaulte das Fleisch und vermehrten sich die Schädlinge. Es war, als würde Saidar selbst versagen. Eher konnte man eine Schwester dazu verleiten, Witze über die Schwarze Ajah zu reißen, als sie dazu zu bringen, über dieses Problem zu sprechen.
Einer der lachenden Männer bemerkte, dass Egwene sie ansah, und er stieß den schlammverschmierten Burschen an, der seine Sprache etwas mäßigte, aber nicht viel. Er schaute sie sogar finster an, als würde er sie für seinen Sturz verantwortlich machen. Da ihr Gesicht zur Hälfte von der Kapuze verborgen wurde und die Amyrlin-Stola zusammengefaltet in ihrer Gürteltasche steckte, schienen sie sie für eine Aufgenommene zu halten, von denen nicht alle die richtige Kleidung hatten, oder vielleicht für eine Besucherin. Frauen schlüpften oft ins Lager und hielten die Gesichter verborgen, ob sie nun feine Seide oder zerschlissene Wolle trugen, und eine Fremde oder eine Aufgenommene mürrisch anzusehen, war auf jeden Fall ungefährlicher, als einer Aes Sedai einen bösen Blick zuzuwerfen. Es kam ihr seltsam vor, dass nicht jeder in Sichtweite sich verbeugte.
Sie war schon vor dem ersten Tageslicht im Sattel gewesen, und wenn ein Bad nicht in Frage kam - man musste das Wasser aus den Brunnen herbeitragen, die man eine halbe Meile westlich vom Lager gegraben hatte, was alle bis auf die äußerst verwöhnten oder weltfremden Schwestern sich einschränken ließ -, wenn also ein langes, heißes Bad nicht möglich war, hätte sie wenigstens gern die Füße auf den Boden gestellt. Oder - noch besser - sie hochgelegt. Darüber hinaus war es nicht dasselbe, die Kälte nicht an sich heranzulassen, als die Hände über einem Kohlenbecken zu wärmen. Auch auf ihrem Schreibtisch würden sich die Papiere stapeln. Am vergangenen Abend hatte sie Sheriam gebeten, ihr die Berichte über den Zustand der Wagen und das Futter für die Pferde zu geben. Sie würden trocken und langweilig sein, aber sie überprüfte jeden Tag andere Bereiche, und so konnte sie zumindest sagen, ob das, was die Leute ihr berichteten, auf Fakten oder Wünschen beruhte. Und da waren immer die Berichte der Augen-und-Ohren. Verglichen mit dem, was Siuan und Leane ihr von ihren Agenten zukommen ließen, war das, was die Ajahs an den Amyrlin-Sitz weiterleiteten, faszinierender Lesestoff. Man konnte nicht unbedingt behaupten, dass sie sich widersprachen, aber was die Ajahs für sich behalten wollten, gab manchmal interessante Bilder ab. Bequemlichkeit und Pflicht zogen sie zu ihrem Studierzimmer - natürlich war auch das nur ein Zelt, obwohl es jeder das Studierzimmer der Amyrlin nannte -, aber hier bot sich die Gelegenheit, sich einmal umzusehen, ohne dass alle vor ihrer Ankunft die Dinge hastig beschönigten. Sie zog die Kapuze ein Stück weiter nach vorn, um ihr Gesicht besser zu verbergen, und stieß Daishar die Absätze leicht in die Flanken.
Es waren nur wenige Leute mit dem Pferd unterwegs, hauptsächlich Behüter, auch wenn gelegentlich Pferdeknechte zu dem Verkehr beitrugen, die die Tiere an den Leinen so schnell durch den knöcheltiefen Matsch führten, wie das möglich war. Niemand schien sie zu erkennen. Im Gegensatz zu den fast leeren Straßen bogen sich die hölzernen Gehsteige, die kaum mehr als grobe, auf zurechtgelegten Scheiten abgelegte Planken waren, unter dem Gewicht der Leute durch. Die Hand voll Männer, die aus dem Strom der Frauen wie die Rosinen auf einem billigen Kuchen herausragten, gingen doppelt so rasch wie alle anderen. Mit Ausnahme der Behüter brachten Männer ihre Geschäfte unter Aes Sedai so schnell wie möglich hinter sich. Fast alle Frauen trugen die Gesichter verhüllt, ihr Atem verwandelte sich in den Kapuzenöffnungen zu Nebel, doch es fiel leicht, die Aes Sedai von den Besuchern zu unterscheiden, ganz egal, ob ihre Umhänge schlicht oder verziert und mit Pelz gefüttert waren. Die Menge teilte sich vor einer Schwester. Alle anderen mussten sich ihren Weg hindurchbahnen. Nicht, dass an diesem kalten Vormittag viele Schwestern unterwegs gewesen wären. Die meisten würden gemütlich in ihren Zelten sitzen. Allein oder zu zweit und dritt würden sie lesen, Briefe schreiben oder ihre
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