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Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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reden. Es fiel schwer zu glauben, dass sie damit die Moral hatten stärken wollen, denn in diesem Fall hätten sie sich nicht auf Geflüster beschränkt. Aber der Anschein der Höflichkeit musste gewahrt werden, ganz egal, wie oft sie sich schon gewünscht hatte, jemandem eine Ohrfeige zu verpassen; wenn Egwene niemanden sah, konnte sich diejenige auch nicht zurückgesetzt fühlen.
    Hinter einer hohen Segeltuchwand, die eine der beiden Reisestellen des Lagers umgab, blitzte ein schwaches silbriges Licht auf, und einen Augenblick später schoben zwei Schwestern die Eingangsplane zur Seite. Weder Phaedrine noch Shemari waren stark genug, allein ein Wegetor zu weben, aber gemeinsam schafften sie es gerade eben, eines zustande zu bringen, das groß genug war, um hindurchgehen zu können. Die Köpfe zusammengesteckt und in eine Unterhaltung vertieft, legten sie sich seltsamerweise gerade die Umhänge um. Egwene hielt das Gesicht abgewandt, als sie vorbeiritt. Die beiden Braunen hatten ihr als Novizin Unterricht gegeben, und Phaedrine schien noch immer überrascht zu sein, dass Egwene die Amyrlin war. Schlank wie ein Reiher war sie durchaus imstande, durch den Schneematsch auf sie zuzustapfen und zu fragen, ob sie Hilfe brauchte. Shemari, eine tatkräftige Frau mit kantigem Gesicht, die eher wie eine Grüne als wie eine Bibliothekarin aussah, war in ihrem Benehmen stets korrekt. Eigentlich schon überkorrekt. Ihren tiefen Knicksen, die zu einer Novizin gepasst hätten, haftete immer der Hauch von Spott an, wie reglos ihre Miene auch sein mochte, nicht zuletzt deshalb, weil sie auch schon einen Knicks gemacht hatte, wenn sie Egwene aus einer Entfernung von hundert Schritten kommen sah.
    Sie fragte sich, wo die beiden gewesen waren. Vermutlich irgendwo in einem Gebäude, oder zumindest an einem Ort, an dem es wärmer als im Lager gewesen war. Natürlich führte niemand Buch über das Kommen und Gehen der Schwestern, nicht einmal die Ajahs. Die Verhaltensregeln waren tief verwurzelt, und sie hielten jeden eindringlich davon ab, direkte Fragen darüber zu stellen, was eine Schwester tat oder wo sie hinging. Vermutlich hatten sich Phaedrine und Shemari mit einigen ihrer Augen-und-Ohren getroffen. Oder sich in irgendeiner Bibliothek ein Buch angesehen. Sie waren Braune. Aber Egwene konnte Nisaos Bemerkung nicht vergessen, dass sich Schwestern zu Elaida verdrückten. Es war durchaus möglich, sich von einem Fährmann zur Stadt übersetzen zu lassen, wo Dutzende winziger Wassertore jedem, der es wollte, Zugang gewährten, aber mit einem Wegetor riskierte man kein Aufsehen, indem man zum Fluss ritt und nach Booten fragte. Nur eine Schwester, die mit dem Wissen über dieses Gewebe in die Burg zurückkehrte, würde ihren größten Vorteil zunichte machen. Und man konnte das nicht verhindern. Man konnte nur die Opposition zu Elaida mit Leidenschaft erfüllen. Man konnte nur die Schwestern glauben lassen, dass ein schnelles Ende möglich war. Doch hätte es nur einen Weg zu einem schnellen Ende gegeben.
    Nicht weit von der Reisestelle entfernt zügelte Egwene ihr Pferd und blickte stirnrunzelnd auf eine lange Zeltwand, die noch häufiger geflickt war als der Saal. Eine Aes Sedai rauschte den Gehsteig entlang - sie trug einen schlichten blauen Umhang und hatte ihr Gesicht unter der Kapuze verborgen, aber Novizinnen und andere eilten ihr aus dem Weg, wie sie es für eine Kauffrau niemals getan hätten -, blieb kurz vor dem Eingang stehen und betrachtete ihn einen langen Augenblick, bevor sie die Plane zur Seite schob. Ihr Widerwille war so offensichtlich, als hätte sie ihn hinausgeschrien. Egwene war noch nie in dem Zelt gewesen. Sie konnte fühlen, wie dort drinnen Saidar gelenkt wurde, wenn auch nur schwach. Die nötige Menge war überraschend klein. Ein kurzer Besuch von der Amyrlin würde nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregen. Sie wollte gern sehen, was sie in Bewegung gesetzt hatte.
    Als sie vom Pferd stieg, wurde ihr eine ärgerliche Schwierigkeit bewusst. Es gab nichts, wo sie Daishar hätte festbinden können. Die Amyrlin hatte immer jemanden, der angestürzt kam, um ihr den Steigbügel zu halten und das Pferd wegzuführen, aber hier stand sie nun mit den Zügeln des Wallachs in der Hand, und eine Gruppe Novizinnen eilte mit nicht mehr als einem flüchtigen Blick vorbei und hielt sie für eine Besucherin. Mittlerweile erkannte jede Novizin eine Aufgenommene sofort, aber nur wenige hatten die Amyrlin je zu Gesicht bekommen. Sie

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