Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Weiße Burg

Die Weiße Burg

Titel: Die Weiße Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
musste. Die würden ohne allzu großen Protest gehen. Eine Behüterin hatte nicht die Autorität, sie hinauszuwerfen, aber sie wussten, dass ihre Autorität über ihre Stola hinausging, selbst wenn keine von ihnen auch nur annähernd vermutete, wie das möglich war.
    »Alviarin«, sagte Elaida und klang überrascht, bevor sie ein Wort herausbekommen konnte. Elaidas hartes Gesicht entspannte sich zu etwas, das man fast als Vergnügen hätte bezeichnen können. Ihr Mund zuckte und kam einem Lächeln sehr nahe. Elaida hatte schon seit einiger Zeit keinen Grund mehr zum Lächeln. »Stellt Euch da hinten hin und seid still, bis ich Zeit habe, mich um Euch zu kümmern«, sagte sie und deutete majestätisch auf eine Ecke des Raums. Die Sitzenden scharrten mit den Füßen und richteten die Stolen. Suana, eine pummelige Frau, warf Alviarin einen verkniffenen Blick zu, und Shevan, hoch gewachsen wie ein Mann und genauso kantig, starrte sie ausdruckslos an, aber die anderen mieden ihren Blick.
    Ungläubig blieb sie auf dem mit hellen Mustern versehenen Seidenteppich stehen. Elaida konnte unmöglich aufbegehren - die Frau wäre wahnsinnig gewesen! -, aber was im Namen des Großen Herrn war bloß geschehen, um ihr diese Frechheit zu verleihen? Was?
    Elaidas Hand knallte laut auf den Tisch, ein Schlag, der die lackierten Kästchen hüpfen ließ. »Wenn ich Euch sage, Euch in eine Ecke zu stellen, Tochter«, sagte sie mit gefährlich leiser Stimme, »dann erwarte ich, dass Ihr gehorcht.« Ihre Augen funkelten. »Oder soll ich die Oberin der Novizinnen holen lassen, damit diese Schwestern Eure ›private‹ Buße miterleben können?«
    Alviarins Wangen brannten, teils aus Demütigung, teils aus Wut. Dass jemand hörte , wie so etwas gesagt wurde, und ihr dann auch noch ins Gesicht! Aber in ihr rumorte auch die Furcht, ließ ihre Magensäure steigen. Nur ein paar Worte von ihr, und man würde Elaida anklagen, Schwestern ins Verderben und in die Gefangenschaft geschickt zu haben, und das nicht nur einmal, sondern zweimal. Über die Ereignisse in Cairhien kursierten bereits die ersten Gerüchte; unbestimmte Gerüchte zwar, aber sie wurden jeden Tag konkreter. Und sobald noch herauskam, dass Elaida fünfzig Schwestern losgeschickt hatte, um zu versuchen, Hunderte von Männern zu besiegen, die die Macht lenken konnten, würde nicht einmal die Existenz der Rebellen-Schwestern, die mit ihrem Heer in Murandy überwinterten, die Stola auf ihrem Hals halten - oder ihren Kopf. Sie konnte es nicht wagen, das hier zu tun. Es sei denn...
    Es sei denn, sie konnte Alviarin als Schwarze Ajah in Misskredit bringen. Das würde ihr vielleicht etwas Zeit verschaffen. Sicherlich nur wenig, sobald die Fakten über die Quellen von Dumai und die Schwarze Burg allgemein bekannt wurden, aber möglicherweise war Elaida bereit, nach Strohhalmen zu greifen. Nein, das war nicht möglich, das konnte nicht möglich sein. Flucht war mit Sicherheit unmöglich. Zum einen hätte eine Flucht, falls Elaida zu einer Anklage bereit gewesen wäre, sie nur bestätigt. Darüber hinaus würde Mesaana sie finden und töten, falls sie floh. Das alles ging ihr blitzschnell durch den Kopf, als sie sich mit bleiernen Füßen wie eine schuldbewusste Novizin in die Ecke begab. Was auch geschehen sein mochte, es musste eine Möglichkeit geben, es wieder gutzumachen. Es gab immer eine Möglichkeit, etwas wieder gutzumachen. Möglicherweise fand sie sie, wenn sie zuhörte. Sie hätte gebetet, hätte der Dunkle König Gebete erhört.
    Elaida musterte sie einen Augenblick lang, dann nickte sie zufrieden. Doch die Augen der Frau funkelten noch immer angriffslustig. Sie hob den Deckel eines der drei lackierten Kästchen, holte eine kleine, vom Alter dunkel verfärbte Schildkrötenschnitzerei hervor und strich mit den Fingern darüber. Die Schnitzereien aus dem Kästchen zu streicheln war eine Angewohnheit, die sie hatte, wenn sie ihre Nerven beruhigen wollte. »Also«, sagte sie. »Ihr wolltet mir erklären, warum ich mich auf Verhandlungen einlassen sollte.«
    »Wir haben nicht um Erlaubnis gebeten, Mutter«, entgegnete Suana scharf und schob das Kinn vor. Sie hatte ein viel zu großes Kinn, ein richtiges Rechteck, und die dazu nötige Arroganz, es jedem entgegenzustrecken. »Eine derartige Entscheidung ist Sache des Saals. Bei der Gelben Ajah gibt es die starke Tendenz, dafür zu sein.« Was bedeutete, sie verspürte eine starke Tendenz. Sie war die Anführerin der Gelben Ajah, die Erste

Weitere Kostenlose Bücher